Bookholzberg Das Handwerk sucht sie händeringend, auch in Handel, Dienstleistungsgewerbe und Industrie machen sich Auszubildende zunehmend rar. Immer weniger Schulabgänger und der Trend, wenn möglich, erst zu studieren, drängen Arbeitgeber bei der Nachwuchsgewinnung in die Offensive. Ein „Speed-Dating“ hat am Freitag Schulabgänger und Betriebe in der Schule an der Ellerbäke zusammengebracht.
Claudia Eberhard, Berufsberaterin bei der Agentur für Arbeit, erklärt, warum Personalverantwortliche ungewohnte Wege gehen: „Der Ausbildungsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Bewerbermarkt entwickelt.“
Viele Lehrstellen frei
Kurz nach Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind rund um die Gemeinde Ganderkesee noch viele Lehrstellen unbesetzt. Allein die Mitgliedsbetriebe der Kreishandwerkerschaft Delmenhorst/Oldenburg-Land melden auf ihrer Internetseite für das Ausbildungsjahr 2019/20 derzeit 78 freie Lehrstellen.
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„Unsere Schüler haben die unterschiedlichsten Hintergründe und Vorstellungen, wie es nach der Schule weitergeht“, sagte Schulleiter Jan-Michael Braun. Neben Neunt- und Zehntklässlern von der Ellerbäke waren unter den Interessenten auch Ganderkeseer Oberschüler sowie Teilnehmer vom Bildungswerk der niedersächsischen Wirtschaft aus Delmenhorst dabei.
15 Unternehmen, vom örtlichen Garten- und Landschaftsbauer bis zur weltweit tätigen Firma, nutzten die Gelegenheit, die 40 Schülerinnen und Schüler für sich zu begeistern.
Ziel: Vertragsabschluss
Ideal sei natürlich der spätere Abschluss eines Ausbildungsvertrags, so Jan-Michael Braun. Doch das klappe nicht immer auf Anhieb. Ein gutes Praktikum könne aber bereits zum Türöffner werden, weckte Claudia Eberhard Hoffnung bei nicht so guten Schülern. Der Grund: „Um ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, schrauben die Unternehmen jetzt ihre Ansprüche zurück“, sagte die Berufsberaterin. „Auch schwächere Schüler werden eingestellt, wir unterstützen das mit berufsbegleitenden Hilfen.“
Das zehnminütige Vorstellungsgespräch, bei dem Arbeitgeber und Bewerber sich kennenlernen, helfe, Chancen auszuloten, betonte Organisatorin Claudia Hannah Engelien, Schulsozialarbeiterin an der Bookholzberger Oberschule.
Bei den Schülern kam die Idee gut an: „Meine Schwester war im letzten Jahr schon beim Azubi-Speed-Dating, das ist eine informative Sache“, lobte die Neuntklässlerin Jemana die Möglichkeit, Betriebe gezielt ansprechen zu können. Am Tisch der Hoykenkamper Palfinger-Niederlassung interessierte sie sich für Beruf der Industriekauffrau.
„Wir nehmen zum vierten Mal an einer solchen Aktion teil“, verriet Palfinger-Personalerin Annika Vosteen. Auch sie spricht von einem Wandel der Bewerber.
Mehr Studienabbrecher
Vor Jahren habe es noch sehr viele Bewerbungen direkt von Schulabgängern gegeben. „Heute melden sich zusehens Studienabbrecher“, nannte die Personalerin einen Grund dafür, gezielt um Oberstufenschüler zu werben. Vor allem im Berufsfeld Industriemechaniker werde die Nachwuchsgewinnung schwieriger.
Auch für Ingo Borchers und Michael Mackenthun vom Huder Mess- und Regeltechnikspezialisten Labom mit seinen 180 Mitarbeitern gehören die kurzen Vorstellungsgespräche neben Tagen der offenen Tür im Unternehmen zum festen Bestandteil der Rekrutierung. „Man muss sich heute schon rühren“, beteuerte Borchers.
Hilfe bei der Berufswahl
Wer gar nicht wusste, was er werden soll, dem halfen Norbert Klüh und Reinhard Bröker von der Zukunftswerkstatt Ausbildungsplatzinitiative Ganderkesee (Zwaig) mit dem Spiel „Identifind“.
Den Druck bei der Nachwuchssuche sieht auch die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer (IHK): „Für viele Firmen im Oldenburger Land ist der Fachkräfte-Nachwuchs nach wie vor das Thema“, so Stefan Bünting, Leiter im Bereich Aus- und Weiterbildung bei der IHK.