Ganderkesee „Flucht und Migration, das sind aktuelle Themen“, sagte Alina Brunken am Montag. Die Lehrerin an der Oberschule Ganderkesee hat einen ganz persönlichen Bezug zu dem Thema: Ihre Großmutter Helga Brunken musste als Neunjährige mit ihrer Familie aus Ostpreußen fliehen. Bei der offiziellen Eröffnung der Ausstellung „geflohen, vertrieben – angekommen?!“, die diese Woche in der Oberschule zu sehen ist, gab es deshalb eine Lesung aus der Fluchtgeschichte von Helga Brunken, die auch persönlich vor Ort war.
Ein aktuelles Thema
Bürgermeisterin Alice Gerken begrüßte Gäste und Schüler des zehnten Jahrgangs zur Eröffnung in einer kurzen Ansprache. Sie erinnerte an die Situation der Gemeinde im Jahr 2015, als viele Flüchtlinge aus Syrien nach Ganderkesee kamen, weshalb das Thema heute genauso relevant sei wie in den 1940er Jahren. Zur heutigen Situation hatte Gerken auch konkrete Zahlen dabei: 70,8 Millionen Menschen seien weltweit auf der Flucht, 25 Menschen pro Minute.
Auf einer anschließenden Lesung gaben drei Schüler des zehnten Jahrgangs Einblicke in die Flucht von Helga Brunken (geborene Kallisch) während des Zweiten Weltkriegs, die diese vor Jahren niedergeschrieben hatte. Aus Großrosen in Masuren zog die Familie im Frühjahr 1945 zuerst nach Pommern – die Mutter fuhr noch mehrere Male mit der Bahn zurück, um den heimischen Landwirtschaftsbetrieb zu versorgen. Später dann ging es weiter gen Westen, bis nach Hude.
Einwilligung und Werberichtlinie
Ja, ich möchte den täglichen NWZonline-Newsletter erhalten. Meine E-Mailadresse wird ausschließlich für den Versand des Newsletters verwendet. Ich kann diese Einwilligung jederzeit widerrufen, indem ich mich vom Newsletter abmelde (Hinweise zur Abmeldung sind in jeder E-Mail enthalten). Nähere Informationen zur Verarbeitung meiner Daten finde ich in der Datenschutzerklärung, die ich zur Kenntnis genommen habe.
In Hude den Krieg erlebt
Dort wurde Familie Kallisch herzlich aufgenommen, aber vom Krieg eingeholt: Deutsche und kanadische Soldaten kämpften auch in Hude. Für zwei Tage wurde das Gasthaus zur Front, bis deutsche Truppen dann die beiden Bahnübergänge im Ort sprengten. „Die Welt war in dem Moment schwarz“, wird Brunken später über das Erlebnis sagen.
Familie Kallisch lebt noch heute in Hude, Angehörige betreiben viele örtliche Geschäfte. „Das jetzt noch einmal von den Schülern zu hören geht nah,“ sagte Helga Brunken, die nach der Lesung sichtlich gerührt war. Erst im Jahr 2010 hatte sie erfahren, dass die sterblichen Überreste ihres Großvaters Friedrich Kallisch, den sie im Februar 1945 zum letzten Mal sah, im polnischen Zargorcyze gefunden worden waren.
Kriegsgräber betreuen
Dass es dazu kam, ist der Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu verdanken. „Bei uns geht es nicht nur um Soldaten“, erklärte Bildungsreferent Marco Wingert. Die Arbeit der Fürsorge umfasst auch Gräber von zivilen Opfern von Gewaltmigration. „Es geht um Leben, die anders hätten gelebt werden sollen.“
Der Bezug habe sich im Laufe der Zeit verändert, so Wingert. Während früher „Krieg“ für den Zweiten Weltkrieg stand, war es in den 90ern der Kosovo. Heute seien viele vom Krieg im Nahen Osten betroffen, weil sie von dort geflohen sind oder durch die Bundeswehr dort im Einsatz waren. Trotzdem seien regionale Bezüge, wie die Geschichte von Helga Brunken, für die Vermittlung in der Schule sehr wichtig.