Hude Laut ist die Welt geworden, schrill, rechthaberisch. Leisen Tönen verschafft das wenig Gehör, aber oft mehr Bedeutung. Man muss sie nur hören. Etwa jene von John Dowland im Konzert des Oldenburger Kammerorchesters in der gut besetzten Elisabethkirche. „Flow my tears”, singt die Sopranistin Silke Meier, begleitet vom Lautenisten Günter Krause: „Fließt, meine Tränen. Für immer verbannt, lasst mich trauern.“ Vier absteigende Noten beschreiben die fallenden Tränen.
Das vielleicht bekannteste Lautenlied der Renaissance von 1596 aus Dowlands Sammlung „Lachrimae, or Seven Tears” hat das Orchester acht bearbeiteten Stücken vorangestellt. Der Engländer hat sie damals für ein Gambenkonsort verfasst. Gut, in der vollen Besetzung von 18 Streichern und Cembalo wirken sie etwas füllig und massiv. Doch unter Leitung von Marc Froncoux lebt griffig jene spannungsreiche Stimmung zwischen Melancholie, fein angedeuteten Emotionen und tänzerischer Beschwingtheit auf.
Direkt aus infernalisch dröhnenden Zeiten stammt das Streichsextett aus der Oper „Capriccio” von Richard Strauss. 1942 komponiert fallen die filigranen romantischen Klänge völlig aus der Welt. Oder sehnen sie die stilleren Zeiten herbei? In chorischer Besetzung folgen die Streicher sehr fein allen Verästelungen, streifen mit einer leichten Rauheit den Zuckerguss ab, lassen der Musik aber ihren Zauber. Das bekommt Strauss sehr gut.
Laufen lassen darf Froncoux seine Streicher in Arcangelo Corellis Concerto grosso c-Moll op. 6/3 mit Guido Eva und Jana Kubale (Violine) sowie Uwe Vaihinger (Violoncello) im Concertino. Noch mehr gilt das bei Felix-Mendelssohn-Bartholdys zehnter Streichersinfonie h-Moll. Da lassen sie den Komponisten einen jugendlichen Stürmer sein. Aber immer beachten sie dabei diszipliniert die Form und die technischen Anforderungen. Was noch einmal John Dowland angeht: Er wirkte vorwiegend auf dem europäischen Festland. Lange bemühte er sich vergeblich um eine Anstellung in seinem Heimatland. Dort führten nicht die Demagogen das große Wort. Aber der Adel spann seine Intrigen und zog der Zeitmode entsprechend italienische und andere Musiker den einheimischen vor. Das Pendel in der Welt- und Gesellschaftsgeschichte schlug immer schon weit aus. In alle Richtungen.