Hude Zum Schluss der Sitzung war es vorbei mit der weihnachtlichen Einmütigkeit, die sich die Huder Ratsmitglieder vorgenommen hatten. Im Zuge der Haushaltsberatungen hatte es in der Sitzung im Ratssaal am Donnerstagabend widerstreitende Positionen gegeben – am Ende wurde er jedoch mit Mehrheit beschlossen. CDU, FDP und Freie Wähler standen dem Haushaltsentwurf grundsätzlich positiv gegenüber. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lehnte ihn ab. Und die Sozialdemokraten stimmten gar nicht ab, weil sie den Saal verlassen hatten.
Eklat zum Sitzungsende
Nach allen Redebeiträgen stand Bürgermeister Holger Lebedinzew von seinem Stuhl auf. „Eigentlich wollte ich mich heute zurückhalten“, schickte er vorweg, „doch jetzt muss ich mich äußern.“ An die Mitglieder der SPD gewandt sagte er: „Grüne und SPD haben einen desolaten Haufen an Gebäuden hinterlassen.“ Zuvor hatte Ratsfrau Ulrike Janz-Janzen die Qualität der Neubauten in Hude bemängelt und angeregt, bei künftigen Bauvorhaben höhere Ansprüche an die Gestaltung zu stellen und „qualitätsvoll zu investieren.“ Lebedinzew: „Soll ich aus Ihren Äußerungen entnehmen, dass ich Ihnen am besten alle Aufträge überlasse und dann läuft wieder alles?“ Unruhe im Ratssaal. „Das lasse ich mir nicht bieten“, sagte Janz-Janzen und forderte den Rathauschef zu einer Entschuldigung auf. Ihr Parteikollege Bernd Stolle sprang ihr zur Seite: „Das geht zu weit. Entschuldigen Sie sich, Herr Bürgermeister!“ Dieser hatte sich schon wieder gesetzt und konstatierte: „Ich sage dazu gar nichts mehr.“ Taschen gepackt, Jacken geschnappt – die SPD-Mitglieder verließen den Saal. Dann – in verkleinerter Besetzung – die Abstimmung über den Haushalt mit positivem Endergebnis. Am Freitag sagte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dr. Niels Weller, zur NWZ: „Das können wir nicht auf sich beruhen lassen. Wir fordern eine öffentliche Entschuldigung.“
Anke Paradies scheidet aus
Dabei hatte alles harmonisch begonnen. Anke Paradies, die seit 1986 im Gemeinderat für die Sozialdemokraten gesessen hatte und zuletzt Ratsvorsitzende war, gab ihr Mandat ab. „Es fällt mir schwer“, gab sie mit erstickter Stimme zu. Alle Ratsmitglieder standen auf und klatschten. Lebedinzew überreichte Blumen und dankte Paradies. Nachrücken wird aus den eigenen Reihen Sandra Aichele. Lebedinzew sagte zu ihr: „Die nächsten 33 Jahre sind deine.“
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Hohe Schuldensumme
Die Stimmung war gelöst. Als das Thema Haushalt auf der Tagesordnung an der Reihe war, kippte diese allerdings. Lebedinzew gab eine Einführung: „Das operative Ergebnis ist leider nicht mehr ausgeglichen. In den kommenden Jahren könnte es sein, dass wir uns auf über 33 Millionen Euro verschulden.“ Das sei ein unvorstellbarer Betrag, aber bislang seien dies nur „Planzahlen“. In der Gemeinde habe sich in den vergangenen Jahren immer eine „natürliche Schuldenbremse“ eingestellt. „Bauverfahren werden komplexer, Ausschreibungen schwieriger. Wir kommen nicht so schnell voran mit den Investitionen, wie wir gerne würden.“
Die Alternative, nicht zu investieren in Schulen, Kindergärten und Straßen, sei keine Lösung. Er bemängelte die „systematische Unterfinanzierung durch Bund und Land“ und begründete die hohe Anzahl an unaufschiebbaren Bauvorhaben so: „In den vergangenen 50 Jahren wurde nur das Nötigste gemacht. Daher waren damals die Haushalte ausgeglichen. Jetzt ist es vielerorts Zeit für eine Grundsanierung oder einen Neubau“, so Lebedinzew.
Defizit im Haushalt
Dann zog er ein Fazit: „Ich bin ob der Zahlen besorgt, aber zuversichtlich.“ Im ordentlichen Ergebnis des Haushalts der Gemeinde ergibt sich ein Defizit von 790 909 Euro.
Nils Rüdebusch (CDU) pflichtete dem Bürgermeister bei und konstatierte: „Die Finanzlage ist gar nicht so schlecht.“ Den Schulden stünden schließlich Einnahmen gegenüber. Bauchschmerzen bereite ihm der nicht ausgeglichene Ertragshaushalt. Wenig besorgt trat Dieter Holsten (Freie Wähler) auf. Er bezeichnete den Entwurf als „solide und professionell“ und versprach: „Wir unterstützen die Maßnahmen. Die Kreditaufnahmen sind nun mal erforderlich.“
FDP besorgt
Marlies Pape (FDP) sah das Ganze kritischer: „Schwarzmalerei wird es von uns nicht geben. Aber rundum sorglos sehen wir den Haushalt nicht.“ Unwägbarkeiten könnten schneller eintreffen, als einem lieb sei. Deutliche Zweifel äußerte SPD-Chef Weller: „Die Verwaltung ist für Überraschungen in Millionenhöhe gut. Wir sollten daher eine Verschuldungsobergrenze festlegen.“ Der vorgelegte Haushaltsentwurf sehe vor allem Regelaufgaben vor, „eigene Zukunftsplanung gibt’s da nicht“, befand er.
„Visionen“ gefordert
Ähnlich sah es Karin Rohde von den Grünen. „Das ist keine realistische Planung. Wir schaffen nicht alles abzuarbeiten, was nötig ist.“ Zudem sei die Verschuldung generell zu hoch, die Investitionen seien nur ungenügend in den Fachausschüssen beraten worden. „Verzetteln wir uns nicht?“ fragte sie in die Runde und resümierte dann: „Wir brauchen Visionen.“ Ihre Fraktion könne dem Haushalt somit nicht zustimmen. Andreas Otte (CDU) reagierte prompt: „Die rot-grüne Seite des Rates sollte mehr machen und weniger reden.“ Als Abschluss seiner Rede formulierte er: „Die Investitionsgründe sind höher einzustufen als das Risiko.“