Wildeshausen - Wildeshausen im Dreißigjährigen Krieg: Katholiken kämpfen gegen Protestanten. Ein italienischer Soldat kommt ums Leben und wird auf dem Friedhof neben der Alexanderkirche begraben. Seine Kameraden pflanzen zur Erinnerung eine Platane auf sein Grab. Diese Sage erzählt Wolfgang Jöllenbeck bei seinen Kirchenführungen, wenn er den Leuten die Geschichte der Alexanderkirche näherbringt. Heute ist die Platane ein mächtiger Baum und steht unter Naturschutz – als einzige Platane im Landkreis Oldenburg.
Regelmäßige Kontrolle
Doch der Baum kränkelt: Er ist vom Massaria-Pilz befallen. „Der Pilz verstopft die Leitungsbahnen der Äste, sodass sie austrocknen und herunterfallen können“, erklärt Ursula Tröndle vom Amt für Naturschutz und Umweltschutz des Landkreises. „Der Baum ist durch den Pilz geschwächt, er muss deswegen aber nicht gefällt werden.“ Gegen die Infektion könne allerdings nichts getan werden.
Wegen des Pilzes besteht bei der Platane jedoch erhöhte Aufmerksamkeit. Halbjährig wird sie von einem Baumsachverständigen untersucht. „Beim Mittelaltermarkt laufen viele Menschen unter dem Baum her. Da ist Verkehrssicherheit oberstes Gebot“, sagt Tröndle. Erstmals fuhr deshalb der Baumpfleger und Baumsachverständige Helmut Titschack vor dem Mittelaltermarkt im vergangenen Dezember mit einem Hubsteiger in die Krone. „Die Rinde verliert auf der Oberseite der Äste ihren grünlichen Schimmer, verblasst oder färbt sich rosa. Das kann man von unten aber nicht sehen“, erklärt der Fachmann aus Hude. Um der Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, habe er das Totholz aus der Krone geschnitten. Einen ausladenden Ast sicherte er mit einem Seil, obwohl Platanen grundsätzlich eine hohe Tragkraft besäßen.
Die Massaria sei bislang erst nur sehr vereinzelnd da, so Titschack. „Es besteht noch kein wirklicher Grund zur Sorge – aber zur Wachsamkeit.“
Die Platane besitzt eine einzigartige Rinde. Sie wirft ihr Borkenkleid regelmäßig ab. „Im vergangenen Sommer hat der Baum sein Borkenkleid einmal komplett erneuert“, sagt Jöllenbeck. Das habe er in seinen 20 Jahren als Küster noch nicht erlebt. Er glaubt, dass das auch mit der Trockenheit zu tun habe.
Wie alt der Baum genau ist, weiß Jöllenbeck nicht. „Es gibt ein Foto mit Konfirmanden vor der Platane, das vor 100 Jahren aufgenommen wurde. Da war der Baum noch um ein Drittel kleiner“, erzählt der Küster. Deshalb hält er die Sage nicht für abwegig.
„Wenn man exakt wissen will, wie alt der Baum ist, müsste man ihn fällen und die Baumringe zählen“, sagt Ursula Tröndle. Alternativ wäre noch eine Kernbohrung möglich, doch dabei wäre die Gefahr groß, dass sich der Baum einen Pilz einfange.
Platane 36 Meter hoch
Der Stamm der Platane weist am Erdboden aktuell einen Umfang von zehn Metern auf. Jöllenbeck hat ihn kurzerhand mit einem Tau und einem Zollstock ausgemessen. In Kopfhöhe sind es eher acht Meter.
Hinsichtlich der Höhe kann Titschack Auskunft geben. „Mit dem Hubsteiger war ich 33 Meter hoch. Da war ich aber noch nicht in der Spitze. Der Baum ist etwa 36 Meter groß.“ Er bezeichnete die Platane an der Alexanderkirche als ortsbildprägenden und „fantastischen Baum“, der im norddeutschen Raum seinesgleichen suche und unbedingt erhalten werden sollte. „Die Mühe lohnt sich.“