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Verband in Oldenburg gibt Tipps Wie das Smartphone Blinden und Sehbehinderten im Alltag hilft


Sie lieben ihr Parallel-Tandem, weil  es ihnen Freiheit für gemeinsame Aktivitäten verschafft: der blinde Hans-Joachim Seweron mit seiner Frau Monika. Bei der Anschaffung sind Betroffene aber auch sich gestellt: Mit rund 10.000 Euro und mehr schlägt so ein Rad zu Buche.
Patrick Buck

Sie lieben ihr Parallel-Tandem, weil es ihnen Freiheit für gemeinsame Aktivitäten verschafft: der blinde Hans-Joachim Seweron mit seiner Frau Monika. Bei der Anschaffung sind Betroffene aber auch sich gestellt: Mit rund 10.000 Euro und mehr schlägt so ein Rad zu Buche.

Patrick Buck

Oldenburg - Blind durchs Leben zu kommen, ist eine Herausforderung. Alles, was dabei hilft, den Alltag selbstständig zu meistern und Freizeit zu genießen, ist willkommen und geschätzt. Wir haben uns bei Betroffenen umgehört, welche Helferlein sie besonders schätzen.

Vibrierender Gürtel

Alltagshilfen gibt es viele. Worauf die meisten setzen: das Smartphone. Hier gibt es zahlreiche Funktionen und Apps, die blinden Menschen helfen – beispielsweise bei der Orientierung in unbekannter Umgebung. „Der Verkehr muss aber beachtet werden, die Apps kennen zum Beispiel keine Ampeln, die muss man selber finden“, sagt Hans Seweron. Er kennt auch einen Gürtel, der helfen kann: „Ich gebe ein Ziel ein und der Gürtel vibriert seitlich, je nachdem, welche Richtung ich einschlagen soll.“ Auch ein Aufsatz für einen Blindenstock funktioniere nach diesem Prinzip. Apps für Bringdienste mit Spracheingabe findet Seweron ebenfalls praktisch – so ist der eigenständige Einkauf möglich. Auch scannt das Handy die Post, liest diese vor und ermöglicht Alltagsorganisation durch Sprachnotizen.

Videoanruf mit Sehenden

„Be my Eyes“ sei eine App, die Blinde und Sehbehinderte mit sehenden Menschen zusammenbringe, erklärt Elke Braune, die Beraterin bei Blickpunkt Auge des Blinden- und Sehbehindertenverbandes mit Sitz in Oldenburg ist: „Sucht ein Blinder etwas, weil es ihm heruntergefallen ist, kann er einen Videoanruf starten und einem Sehenden zeigen, wo gerade sein Problem liegt, damit dieser helfen kann.“ Praktische Helfer für Haushalt und Alltag gebe es viele, dazu beraten Elke Braune und ihre Kollegin Brigitte Winter, beide selbst erblindet beziehungsweise sehbehindert.

Roland König war früher Handwerker. Bei ihm ist eine Erbkrankheit im Alter von 38 Jahren ausgebrochen, durch die er erblindete. „Nimm das blinde Leben an: Das habe ich mir gedacht. Natürlich ist erstmal alles zusammengefallen, ich brauchte Geduld. Das war ein langer Prozess.“ Humor ist sein Alltagshelfer: „Ich bin noch gut drauf, manchmal auch drunter. Wenn ich in der Apotheke nach 100 Gramm Salami frage, ist denen schon klar, dass bei mir etwas anders ist. Aber das Eis ist gebrochen.“ Er habe sich ein gutes Netzwerk mit gewohnten Anlaufstellen und Geschäften aufgebaut. „Ich gehe einfach los, zähle Schritte und merke mir das. So mache ich das auch im Fitnessstudio und in der Sauna. Und im Zweifel ist eigentlich fast immer wer da, der hilft. Man muss nur fragen.“ König unternimmt auch Taxifahrten zum schwedischen Möbelhaus: „Ich baue Schränke selbst auf. Ich fühle die Sachen und mache das einfach, scheitern ist immer eine Option.“

Für Jörg Wagner ist das Zurechtfinden im Alltag schwieriger: Er hat nicht nur seine Sehfähigkeit verloren, sondern auch einen Hirnschaden davon getragen: „Ich musste alles umlernen. Für mich ist im Moment mein Rollator das wichtigste Hilfsmittel.“

Radtour mit Co-Pilot

Freizeitgestaltung planen die Blinden und Sehbehinderten auch gemeinsam. Zuletzt bei einer gemeinsamen Radtour mit Tandems und Rikscha. Sehende Co-Piloten müssen natürlich die Richtung vorgeben, aber das gemeinsame Radeln macht Spaß. „Uns gibt es viel Freiheit“, so Monika Seweron. Sie hat mit ihrem Mann ein Parallel-Tandem gekauft, beklagt aber: „Man bekommt für so etwas keinerlei Zuschuss von der Kasse. So ein Rad kostet mehr als 10 000 Euro.“

Elke Braune ist als Beraterin erreichbar unter 0441/302255 oder 0162/6941987. Brigitte Winter hat die Rufnummer 0175/5210380. Informationen zum Angebot gibt es auch unter www.blickpunkt-auge.de. Die Räumlichkeiten der Beraterinnen sind beim Blinden- und Sehbehindertenverband, Scheideweg 145, in Oldenburg, angesiedelt.

Anja Biewald
Anja Biewald Redaktion Oldenburg
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