Bernt Wach: Subversive Arbeit haben wir nie geleistet. Im Gegenteil: Wir sind vor über 30 Jahren hier angetreten, um Subventionen für unsere Kulturarbeit zu bekommen. Als wir in den achtziger Jahren in Oldenburg anfingen, gab es im Alhambra bereits ein soziokulturelles Zentrum. Die wollten keine Subventionen, haben aber ein kulturelles Angebot gemacht. Auch ich habe dort Theater inszeniert. Da es weitere Kulturgruppen in der Stadt gab, wurde gemeinsam mit der Verwaltung und dem damaligen Dezernenten Dr. Seeber überlegt, was man machen kann. Unser Ansatz war immer klar: Wir wollen Geld haben für Räume und für eine professionelle Kulturarbeit.
Ralf Selmer: Wenn man künstlerisch arbeiten will, möchte man so frei wie möglich sein. Das ist ja klar. Wir wussten aber auch: Von irgendwo muss Geld herkommen. Wir mussten immer viel Energie aufwenden, um Förderungen zu erhalten. Gleichzeitig wollten wir in unserer künstlerischen Arbeit stets ausprobieren, welche Experimente möglich sind, um zum einen Publikum zu haben und zum anderen Einnahmen zu generieren. Dieser Balanceakt hat uns 30 Jahre begleitet.
UWE Bergeest: Als Schauspieler und Theatermann habe ich es immer als sehr frei und selbstbestimmt empfunden, wie wir hier arbeiten können.
Bernt Wach: Es hat hier nie Kontrolle oder Einflussnahme von Seiten der Stadt gegeben. Die künstlerische Schere gab es nur im eigenen Kopf.
Wach: In den ersten 15 Jahren mussten wir uns darüber weit weniger Gedanken machen. Es ging der Kulturetage finanziell zwar nicht gut, aber es hat immer gereicht. Kurz vor der Jahrtausendwende haben sich dann die politischen Rahmenbedingungen verändert.
Wach: Die Arbeitsmarktreformen und die Veränderungen bei den Beschaffungsmaßnahmen haben hier deutlich gespürt. Wir hatten damals so viele vom Arbeitsamt geförderte Mitarbeiter. Zudem bekamen die Kommunen ihre Haushalte auf Landesebene nicht mehr durch. Es wurde gespart ohne Ende. Da wurde uns klar, dass wir nun selbst Geld verdienen müssen.
Wach: Den Luxus der frühen Jahre haben wir erst bemerkt, als er wegbrach. Also mussten wir das „Geldverdienen“ in den Mittelpunkt stellen. Die Theaterarbeit, die uns bis zum Jahr 2000 viel mehr geprägt hat als die Musik, geriet mehr und mehr in den Hintergrund.
Bergeest: Wir machen immer noch soziokulturelle Projekte, aber wir machen eben auch klassische Komödien und greifen Themen auf, die im Moment gerade angesagt sind. Mit diesen Produktionen wollen das Geld verdienen, um dann wieder was Experimentelles machen zu können.
Wach: Ich glaube auch, dass die vernachlässigte politische Bildung in den kommenden Jahren wieder zunehmen wird. Man hat lange gedacht, man müsse keine aktive Arbeit mehr leisten. Hier ist es Aufgabe der Kultur, deutlich Stellung zu beziehen, oder zumindest Anregungen zu geben zur Auseinandersetzung mit politischen Themen.
Bergeest: Ja. Über die Jungen kamen plötzlich junge Leute ins Theater. Da hat es ganz pragmatisch funktioniert. Und das ist der Weg, den wir gehen wollen und müssen: Die Drei, die hier sitzen, sind alle über 60 Jahre. Unabhängig von uns soll es ja weitergehen mit der Kulturetage.
Wach: Die spannende Frage lautet doch: Wie können die Kulturträger in Oldenburg enger zusammenarbeiten? Die Vernetzung könnte hier besser sein. Es gibt die Kooperation mit dem Staatstheater bei den Jugendtheatertagen und den anderen freien Theatern. Aber das ist immer sehr punktuell. Bei dieser Aufgabe sind auch Kulturamt und Stadtverwaltung gefordert, solche Kooperationen und Vernetzungen voranzutreiben, um etwas zu bewegen.
Selmer: Es gibt ganz sicher diese Lust, wenn auch mit einem Sicherheitsnetz. Wir leisten uns immer noch Experimente, bei denen wir wissen: Das kann scheitern. In erster Linie müssen wir aber Geld verdienen und hier Dinge tun, die die Kulturetage absichern.
Bergeest: Spannend ist immer der Beginn einer Produktion, weil niemand weiß, was dabei rauskommt. Das ist ja ein Prozess, der über sechs, acht Wochen geht. Wie entwickelt sich etwas von einem Grundgedanken hin zum Ergebnis. Die Komödie „Alte Liebe“ von Elke Heidenreich spielen wir seit fünf Jahren, gerade die 155. Vorstellung.
Wach: Es bleibt ein Balanceakt. Die Tatsache, dass wir 25 Prozent aus öffentlichen Mitteln bestreiten und 75 Prozent erwirtschaften, heißt, dass wir sehr genau hinsehen müssen, wie wir unsere wirtschaftliche Situation so organisieren, dass wir Jahr für Jahr überleben. Schließlich tragen wir die Verantwortung für geschätzt 20 feste und 20 freie Mitarbeitern, die zum Gelingen beitragen. Und das werden wir nicht leichtsinnig gefährden. Das ist Teil des Etablierungsprozesses, der in Oldenburg für uns stattgefunden hat. Wir sind aber auch nicht mehr die „Jungen Wilden“, die wir mal sein wollten.
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