Obenstrohe /Oldenburg Sie sammeln Titel wie Fußball-Rekordmeister Bayern München, Tennislegende Roger Federer oder einst die Klitschko-Brüder im Boxsport. Sind mehrfache Deutsche Meister, und auch bei den Europameisterschaften erfolgreich. Und dennoch sind Romy (11) und Rieke (15) Freudenstein aus Oldenburg sowie Michael (58), Imke (45) und Marvin (15) Schmidt aus Varel-Obenstrohe im Kreis Friesland den meisten Menschen unbekannt. Ihre Leidenschaft: Seifenkistenrennen.
„Wir sind über kleinere Spaßrennen in Dötlingen und Berne zu dem Sport gekommen“, sagt Vater Thomas Freudenstein. „Rieke ist schon mit drei Jahren das erste Mal in einer Seifenkiste gefahren.“ 2010 baute der Familienvater die erste Juniorkiste, schnell holte die damals Sechsjährige ihre erste Siegermedaille. Mittlerweile fahren beide Schwestern erfolgreich Rennen, sind Mitglieder im Jugendclub Mettinger Seifenkistenderby. Immer mit dabei: ihre Eltern Thomas und Kirsten Freudenstein (beide 49).
Arbeiten an Kisten
Nur kurze Zeit später stiegen auch die Schmidts in den Sport ein, im Jahr 2012 war das. „Ein Handwerker, der bei uns gearbeitet hat, hat meinen Sohn Marvin angestachelt“, sagt Vater Michael Schmidt. Ohne große Vorkenntnisse fuhr die Familie zu einem Rennen in der Nähe. „Man gab uns eine Kiste, die ich noch fertig machen musste.“ Und: gleich im Probelauf fuhr Marvin mit Abstand die Bestweite, belegte am Ende den zweiten Platz. „Wir haben alles richtig gemacht“, sagt Michael Schmidt. Bei einem nächsten Rennen wurden andere Sportler auf sie aufmerksam, fragten, wer die Kiste gemacht habe – sie sei für die Qualifikation einer Deutschen oder Europameisterschaft durchaus tauglich. Auch Familie Schmidt gehört heute einem Verein an, den Friesenflitzern Varel.
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Ohne Verein geht fast gar nichts beim Seifenkistenrennen. Die Kisten sind teuer, kosten – je nach Material – ab 1000 Euro aufwärts. Werden die Juniorkisten noch aus Holz gefertigt, bestehen die der älteren Rennfahrer aus Glasfaser oder Carbon. Viele Sportler leihen sich die Kiste bei ihren Clubs. Trotzdem: Ständiges Basteln und Nachjustieren an den Kisten gehört für alle dazu. Immer kann an den Bremsen gearbeitet oder das Lenksystem verbessert werden. Doch was fasziniert an der Sportart, die Anfang der 50er Jahre ein Hit war und heute fast vergessen ist? „Es ist ein Familiensport – alle haben Spaß dran und die Kinder verstehen sich untereinander und schließen Freundschaften“, sagt Kirsten Freudenstein. „Wir sind auch alle zusammen wie eine große Familie. Man hilft sich untereinander – verrät aber trotzdem nicht jedes Geheimnis“, sagt auch Imke Schmidt. Ein Beispiel für vereinsübergreifende Hilfe: Bei der Deutschen Meisterschaft trat Rieke Freudenstein vor Kurzem mit einer Kiste der Schmidts an – und gewann in der Senior-Klasse (elf bis 21 Jahre).
Auf der Rampe
Am Morgen der Rennen läuft jede Familie gemeinsam die Strecke ab, sucht nach der Ideallinie. Auch Videomaterial wird gemeinsam gesichtet. Dann geht es auf die Rampen, die – angepasst an das Streckenprofil – unterschiedlich groß sind. Mit bis zu 60 Kilometern pro Stunde rasen die Seifenkisten die 250 bis 400 Meter langen Kurse entlang. Die Seiten sind mit Banden und Stroh gesichert. Angst? „Respekt, schon, aber keine Angst“, sagt Rieke Freudenstein. „Man wächst an seinen Aufgaben und wird entspannter“, sagt sie. „Es könnte auch schneller sein“, sagt Marvin Schmidt. „Das erste Mal ging mir schon die Pumpe“, sagt seine Mutter Imke Schmidt. „Danach wollte ich immer wieder antreten.“
Kein Training möglich
Acht Rennwochenenden und die Deutsche Meisterschaft stehen für die Seifenkistenfahrer pro Saison an, die von Ende April bis September dauert. Die Besonderheit zu anderen Sportarten: „Ein Training ist nicht möglich“, sagt Rieke Freudenstein. Hierfür müssten unter anderem extra Strecken, also normale Straßen, gesperrt werden. Der große Wunsch der Familien: weitere Titel. Und plötzlich sind sie anderen erfolgreichen Sportlern doch ganz nah.