Auch in Oldenburg scheint der Zugang zum Präparat schwierig: Die 38-jährige Karin H. ist bestürzt über das ärztliche Beratungsgespräch in der Notdienstpraxis – bei der sie die „Pille danach“ haben wollte. Die Praxis befindet sich in den Räumen beim Evangelischen Krankenhaus in der Auguststraße.
In anderen EU-Ländern ist das Präparat frei in Apotheken erhältlich, in Deutschland ist ein ärztliches Rezept Pflicht. Das bedeutet, dass Frauen an Wochenenden und Feiertagen auf Notdienstzentralen und Klinikambulanzen angewiesen sind – wie auch Karin H.
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Wenn die Zeit drängt
An einem Sonntagnachmittag versagte ihre Verhütungsmethode: Das Kondom riss. Eine Stunde später saß Karin H. im Wartezimmer der zentralen Notdienstpraxis an der Auguststraße – um sich die „Pille danach“ verschreiben zu lassen. So schildert sie es. Die Zeit drängt. Denn für die Wirkung des Präparats gilt: je schneller eingenommen, desto effektiver. In der Packungsbeilage eines der gängigen Medikamente heißt es: „Diese Verhütungsmethode sollte so bald wie möglich angewendet werden, vorzugsweise innerhalb von 12 Stunden und nicht später als 72 Stunden (drei Tage) nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr.“ Doch innerhalb der ersten zwölf Stunden erhielt Karin H. das Präparat nicht: Der diensthabende Arzt weigerte sich, das Medikament zu verschreiben.
Das geht aus dem Notfall-/Vertretungsschein hervor, er liegt der NWZ vor. Dort heißt es: „Zeitfenster für Pidana 72. Std., selbiges nicht verordnet sondern morgen zur gynäkologischen Beratung geraten“. Pidana ist der Name einer häufig verordneten „Pille danach“.
Diese Notiz bedeutet für Karin H. vor allem eines: In den wirksamsten zwölf Stunden des Präparats bekommt sie es nicht. Ihre nächste Anlaufstelle ist eine gynäkologische Praxis – die nicht vor Montagmorgen zu erreichen ist. Am Montagvormittag dann verschreibt die Frauenärztin von Karin H. das Präparat. „Zwar sagte mir der Arzt, dass mein Zyklus so stabil sei, dass eine Schwangerschaft auszuschließen sei – aber ich wollte auf Nummer sicher gehen.“
Folgen des Gesprächs
Nun lautet ihr Fazit: „Im 21. Jahrhundert kann ein Mann darüber entscheiden, ob ich schwanger werde oder nicht.“ Karin H. fühlte sich in dieser Situation „ohnmächtig und gedemütigt“. Ihren Ehemann kennt sie seit 17 Jahren, seit 2006 sind sie verheiratet.
Die Akademikerin beschwerte sich umgehend bei der Ärztekammer. Im Antwort-Schreiben, das nach zwei Monaten einging, heißt es: „Zugegebenermaßen ist Ihnen Recht zu geben, dass die Erfolgsquote umso höher ist, je früher das entsprechende Medikament eingenommen wird“.
Karin H. half der Arztbesuch in der Notdienstpraxis bei ihrem Anliegen nicht weiter – sondern stellte neben der Rezeptpflicht eine weitere Hürde dar. Antje Heinemann-Sanders, Leiterin von Pro Familia Oldenburg, erklärt: „Aus der Sicht einer Beraterin gibt es natürlich eine Hemmschwelle, in eine Notarztpraxis oder ins Krankenhaus zu gehen und sich durchzufragen. Dass es Probleme bei der Verschreibung gibt, erleben wir immer wieder.“
Der diensthabende Arzt erklärte auf Anfrage der NWZ : „Die Wahrscheinlichkeit, dass das Medikament nicht gebraucht wurde, erschien mir so groß, dass ich den Hinweis auf die Wirksamkeit von zwölf Stunden ignoriert und es auch deswegen nicht verordnet habe. Ich bedauere, dass die Patientin sich belastet fühlt, dass ich ihr die Dimensionen ihres Handelns benannt habe.“