Hannover - Der hannoversche Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski hält die erweiterte Zeichenlänge bei Twitter für „kontraproduktiv“ für den Kurznachrichtendienst. „Dass Informationen bei Twitter kurz codiert sind, daran sind die Twitterer gewohnt. Auf einmal mehr Zeichen zur Verfügung zu haben, steht gegen die Erwartung der Nutzer“, sagte Schlobinski. Nach einer Testphase hatte Twitter am Dienstagabend die Tweet-Zeichenlänge verdoppelt. Künftig sind Nachrichten in einer Länge von 280 statt wie bislang 140 Zeichen erlaubt. Für die Verdoppelung erntete Twitter zunächst viel Spott.
„Nutzer werden künftig auf Twitter nicht wie Thomas Mann oder Theodor W. Adorno schreiben“, sagte Schlobinski, der an der Leibniz-Universität Hannover lehrt. Gerade junge Menschen, die verschiedene Dienste wie Instagram oder WhatsApp nutzten, seien darauf eingestellt, sich auf Twitter kurz zu halten, sagte er.
Studien zeigten, dass die vormals erlaubten 140 Zeichen gar nicht ausgenutzt worden seien, sagte Schlobinski. „Deshalb wird sich an der Art der Alltagskommunikation auch mit 280 Zeichen nichts grundlegend ändern.“ Interessant sei die erweiterte Zeichenlänge eher für politische Institutionen oder Akteure sowie für die Werbe- und Marketingwirtschaft. Auch in der Twitter-Testphase für die neue Zeichenlänge waren nach Unternehmensangaben nur fünf Prozent der Nachrichten tatsächlich länger als 140 Zeichen.
Der Kurznachrichtendienst hatte seit Ende September bereits mit der neuen Länge experimentiert. Produktmanagerin Aliza Rozen schrieb dazu am Dienstag im Twitter-Blog, die Testphase habe gezeigt, dass es die erhöhte Zeichenzahl den Nutzern einfacher mache, ihre Gedanken in einem Tweet zu formulieren. Zudem hätten die Teilnehmer der Testphase schneller und häufiger getwittert.
Regierungssprecher Steffen Seibert zitierte den russischen Schriftsteller Anton Tschechow (1860-1904): „Tschechow: ,Die Kürze ist die Schwester des Talents.’ Gilt auch auf Twitter.“ Als treuer Twitter-User habe er es passend gefunden, ein Zeichen für die Kürze zu setzen, erklärte er auf Nachfrage eines Journalisten in der Regierungspressekonferenz in Berlin. Ob er sich selbst künftig bei 140 Zeichen ein Limit setzt, ließ er offen.
Einer der ersten Nutzer des neuen 280-Zeichen-Limits war US-Präsident Donald Trump.