New York - Trauer um Tina Turner: Der Tod der als „Queen of Rock’n’Roll“ gefeierten Sängerin hat weit über die Musikwelt hinaus große Anteilnahme ausgelöst. Stars wie Elton John, Mick Jagger und Alicia Keys verneigten sich vor Turners Vermächtnis, der ehemalige US-Präsident Barack Obama und andere Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft würdigten eine Künstlerin, deren Lebensgeschichte voller Tiefschläge und Triumphe Millionen Menschen auf der Welt inspiriert hat.

Nach langer Krankheit starb Turner am Mittwoch im Alter von 83 Jahren in ihrem Haus in Küsnacht in der Nähe von Zürich, wie ihr Management mitteilte. Turner feierte mit ihrem Ex-Ehemann Ike Turner in den 60er und 70er Jahren eine Reihe von Hits. Nach dem Ende ihrer Ehe, die von Gewalt geprägt war, stürmte sie mit Titeln wie „What’s Love Got to Do With It“, „We Don’t Need Another Hero“ und „Private Dancer“ in den 80ern im Alleingang erneut die Charts.

Turner war eine der erfolgreichsten Entertainerinnen der Welt, Beyoncé und Jagger gehörten zu ihren Bewunderern. Bis dahin war es jedoch ein weiter Weg: Geboren wurde Turner als Anna Mae Bullock in einem Krankenhaus im US-Staat Tennessee, als die Patienten dort noch nach Hautfarbe getrennt behandelt wurden. Sie verkaufte weltweit mehr als 150 Millionen Tonträger, gewann zwölf Grammys und wurde 1991 zusammen mit Ike in die Rock and Roll Hall of Fame gewählt (und 2021 allein). Ihr Leben bildete die Grundlage für einen Film, ein Broadway-Musical und eine Dokumentation von 2021, die sie als ihren öffentlichen Abschied bezeichnete.

Bis sie ihren Mann verließ und über die gemeinsamen Jahre sprach, war sie als Gegenpol zum ruhigen Ike auf der Bühne bekannt, als Hauptdarstellerin der „Ike and Tina Turner Revue“. Jahrelang waren sie ständig auf Tournee, auch weil Ike oft knapp bei Kasse war und kein Konzert auslassen wollte. Tina Turner hielt durch und trat mit Bronchitis, einer Lungenentzündung und einer kollabierten rechten Lunge auf.

Nicht selten war jedoch Ike die Ursache für ihre Schmerzen.

Wie sie in ihren Memoiren „Ich, Tina - Mein Leben“ erzählt, begann ihr Mann sie schon kurz nach ihrem ersten Treffen Mitte der 50er Jahre zu schlagen. Er schüttete ihr heißen Kaffee ins Gesicht, würgte oder schlug sie, bis ihre Augen zugeschwollen waren, und vergewaltigte sie danach. Vor einer Show brach er ihr den Kiefer, und sie betrat die Bühne mit blutverschmiertem Mund. Anfang Juli 1976, während Ike schlief, flüchtete Tina aus ihrem Hotelzimmer in Dallas, mit einer Kreditkarte und 36 Cent in der Tasche.

Turner gehörte zu den ersten Prominenten, die offen über häusliche Gewalt sprachen, und wurde so zu einer Heldin für misshandelte Frauen. Ike Turner bestritt nicht, sie misshandelt zu haben, versuchte allerdings, Tina die Schuld zuzuschieben. Als er 2007 starb, sagte ein Sprecher seiner Ex-Frau lediglich: „Tina ist sich bewusst, dass Ike gestorben ist.“

Die Fans bekamen von der Gewalt hinter der Bühne nichts mit. Sie feierten zu Titeln wie „Proud Mary“, „Nutbush City Limits“, „River Deep, Mountain High“.

Doch Ende der 70er Jahre, nach der Trennung von Ike, schien Turners Karriere beendet zu sein. Sie war 40 Jahre alt, ihr erstes Soloalbum war ein Flop, und ihre Live-Auftritte beschränkten sich auf kleine Bühnen. Rockstars verhalfen ihr zum Comeback: Rod Stewart überredete sie, mit ihm in einer TV-Show „Hot Legs“ zu singen, und Jagger sang während der Tournee der Rolling Stones Anfang der 80er mit ihr „Honky Tonk Women“. David Bowie erklärte sie zu seiner Lieblingssängerin.

In London nahm Turner in dieser Zeit eine eigene Version von „Let’s Stay Together“ auf. Ende 1983 war der Song ein Hit in ganz Europa. Capitol Records wollte mit ihr ein Album produzieren und man legte ihr unter anderem eine Pop-Reggae-Ballade vor, die Tina zunächst gar nicht gefiel. „Ich dachte nur, es sei ein alter Popsong, und ich mochte ihn nicht“, sagte sie später über „What’s Love Got To Do With It“.

Turners Album „Private Dancer“ kam im Mai 1984 heraus, verkaufte sich mehr als acht Millionen Mal und enthielt mehrere Hit-Singles, darunter den Titelsong und „Better Be Good To Me“. Das Album wurde mit vier Grammys ausgezeichnet, unter anderem als Platte des Jahres für „What’s Love Got to Do With It“, den Song, der ihr Image in den Jahren nach Ike prägen sollte. „Die Leute sehen mich jetzt an und denken, was für ein heißes Leben ich gelebt haben muss - ha!“, schrieb sie in ihren Memoiren.

Die Starsängerin hatte zwei Söhne: Craig, der aus einer Beziehung mit dem Saxophonisten Raymond Hill hervorging, und Ronald, das einzige Kind aus der Ehe mit Ike. Beide Söhne sind inzwischen gestorben. Ihren zweiten Ehemann, den deutschen Ex-Musikmanager Erwin Bach, lernte Turner Mitte der 80er Jahre kennen. Damals war sie für eine Album-Promotion in die Bundesrepublik gereist, der über zehn Jahre jüngere Bach holte sie vom Flughafen ab. Er habe das „hübscheste Gesicht“ gehabt, schwärmte Turner in einer Dokumentation von HBO. Auch Bach war angetan, im Jahr 2013 heiratete das Paar in der Schweiz.

„Es ist das Glück, über das die Leute reden“, sagte Turner damals über ihr neues Leben mit dem Deutschen. „Wenn man sich nichts wünscht, wenn man endlich ausatmen und sagen kann: „Alles ist gut““.