Corona-Pandemie: Neuer Lockdown trifft Ammerländer Händler hart

Ammerland Aus dem wirkungslosen Teil-Lockdown wird ab diesem Mittwoch ein weitergehender Voll-Lockdown – das trifft den Einzelhandel hart und sorgt bei so manchem Händler im Ammerland für noch nie dagewesene Entscheidungen, so etwa bei der Firma Georg Borchers Baustoffhandel aus Augustfehn. „Zum ersten Mal in unserer Firmengeschichte seit 1932 werden wir den Baustoffhandel über den Jahreswechsel schließen – und das wegen der Corona-Pandemie“, so Wiebke Borchers von dem Augustfehner Unternehmen. „Wir werden ab diesen Mittwoch, 16. Dezember, den Verkauf an Privatkunden einstellen. Gewerbekunden können noch bis diesen Freitag, 18. Dezember, einkaufen.“ Von Samstag, 19. Dezember, bis Sonntag, 3. Januar, sei dann geschlossen, es gäbe auch keine Notbesetzung. „Wir wollen unsere Kunden und unsere Mitarbeiter durch diese Entscheidung schützen“, so Wiebke Borchers. Nur noch diese Woche würden Waren ausgeliefert, ansonsten erst wieder im neuen Jahr. Torsten Schneermann, Geschäftsführer des Baumarktes Cassens, geht davon aus, dass das Ausliefern von bestellten Waren weiterhin möglich sein wird. Der Baumarkt in Rastede wird nur für gewerbliche Kunden geöffnet sein, die sich im Zweifelsfall ausweisen müssten. Er habe Verständnis für den Lockdown, angesichts der steigenden Zahlen gebe es gar keine andere Möglichkeit. Er hätte sich allerdings etwas mehr Vorlaufzeit gewünscht. „Sonntag wird etwas beschlossen, ab Mittwoch greift es. Da bleiben gerade mal zwei Tage, um alles zu organisieren“, sagt Schneermann. Doch das ziehe sich ja wie ein roter Faden durch das ganze Jahr. Aber: „Wir haben es im März und April hingekriegt, wir werden es auch jetzt hinkriegen.“ Überraschend kam der totale Lockdown für Monika Klima von der Westersteder Parfümerie „Das Parfum-Klima“ nicht: „Ich habe schon im Frühling geahnt, dass noch einmal so etwas kommen wird“, sagt sie. Obwohl auch ihr Geschäft ab Mittwoch schließen muss, hält sie die Maßnahmen grundsätzlich für richtig. Man solle lieber das gesamte Geschäftsleben herunterfahren anstatt nur einzelne Branchen, findet die Parfümeristin. In ihrem Geschäft verkauft Monika Klima seltene Parfüm-Marken und wirbt überwiegend in sozialen Netzwerken. Kunden hat sie in Deutschland, England und Russland. Einen Online-Shop habe sie zwar nicht, sagt sie, aber über Instagram, per Mail oder über das Telefon könne man sie nach wie vor erreichen und Bestellungen aufgeben, die sie dann per Post versendet. „Ich bin gespannt, was nun kommt“, sagt sie zu der Frage, ob sie Fördergelder von Bund und Land erhalten wird. Höchstens drei Monate könnte ihr Unternehmen die harten Einschränkungen durch den Corona-Lockdown überstehen, schätzt sie. Der Buchhandel ist eine der Branchen, in der traditionell viele Last-Minute-Geschenke gekauft werden, Bücher gibt es bei Thalia in Bad Zwischenahn natürlich, aber auch Kalender oder kleine Deko-Artikel. Um sich auf den erwarteten Ansturm von Geschenke-Käufern am Montag und Dienstag vorzubereiten hat Filialleiterin Maren Oberwelland das Personal aufgestockt. Am Montag Vormittag herrschte dann Betrieb im Laden – überfüllt war es aber nicht. Die Stoff-Liefertaschen, die Oberwelland jedem in Hand drückte, um im Blick behalten zu können, wie viele Kunden gerade im Geschäft sind, gingen nicht aus. „Viele waren schon in der vergangenen Woche da, und haben befürchtet, dass wir diese Woche gar nicht mehr öffnen“, meinte sie. „Und viele andere Kunden sind selbst berufstätig und können nicht einfach so jetzt einkaufen.“ So viele Kunden wie möglich will Oberwelland mit ihrem Team auch ab dem Mittwoch noch versorgen. „Wir werden einen Lieferservice anbieten, wenn es zulässig ist auch eine Abholstation.“ Der Kundenandrang in der Papeterie Wehlau in Westerstede habe kurz vor dem Lockdown stark zugenommen, sagt Mitarbeiterin Manuela Schmidt. Es kämen etwa doppelt so viele Kunden wie in den Tagen zuvor. Ab Mittwoch werde der Schreibwarenladen dann ein kontaktloses Abholen (9-12 Uhr) für Bestellungen anbieten. Auch einen Lieferservice soll es geben. Die Mitarbeiter müssen für die Zeit des Lockdowns wieder in Kurzarbeit, sagt Filialleiterin Marina Schwengels. Das Geschäft werde alles versuchen, um durch diese schwierige Zeit zu kommen, so Schwengels: „Da hängen sechs Arbeitsplätze dran. Wenig los war in den meisten Blumenläden. „Dabei hatten wir nach diesem harten Jahr zumindest auf das Weihnachtsgeschäft gehofft“, sagt Jan Gloede. Er ist Inhaber von Gloede Floristik in Edewecht. Zwar wurden einige Adventsgestecke verkauft, die Hauptzeit für das Weihnachtsgeschäft sei allerdings zwei bis drei Tage vor Heiligabend. Doch daraus wird jetzt nichts. Am meisten treffe die Floristen der Ausfall der meisten Hochzeiten. „Damit machen wir 80 Prozent unseres Umsatzes“, meint Gloede. Zwischen 40 und 50 Hochzeiten begleiten er und seine zwei Mitarbeiterinnen normalerweise pro Jahr und sorgen für Blumen und Dekoration vom großen Traubogen bis zum kleinen Anstecker für den Mann. Im Oktober und November kämen sonst die Messen dazu, auch diese fielen der Pandemie zum Opfer. „Der Laden ist unser Rettungsanker – und jetzt wird auch noch der letzte Umsatz genommen“, meint Gloede. Das schlägt sich finanziell heftig nieder. Da helfen auch die Liquiditätskredite nicht. „Wir haben im Frühjahr mit doppelt so vielen Hochzeiten gerechnet“, sagt Gloede. Die Ungewissheit, wie es weitergeht, erschwere nun die Planungen. „Katastrophal“ sei die Situation auch für die Freelancer, mit denen die Floristen sonst zusammenarbeiten. Dazu zählen Veranstaltungsunternehmer wie Lichttechniker oder Aufbauhelfer. „Die haben derzeit teilweise null Euro Einnahmen.“ Vor dem Juweliergeschäft von Hilke Eilers in Bad Zwischenahn warteten am Montag immer wieder mal, Kunden auf Einlass – meist Männer. Nach und nach wurden sie in den Laden gebeten, und konnten ihre Geschenke auswählen. Aber eines ist klar, auch noch so viele Kunden am Montag und Dienstag können die bevorstehenden Umsatzverluste kaum ausgleichen. „Das Geschäft würde jetzt bis Heiligabend immer mehr Fahrt aufnehmen“, sagt Eilers. „Gerade für unsere Branche sind das die Umsatzstärksten Tage. „Vom ersten Lockdown hatten wir uns gut erholt, wir haben gemerkt, wie sehr unsere Kunden uns verbunden sind“, fährt sie fort. Wie es ab Mittwoch weiter geht? „Wir haben viele Aufträge abzuarbeiten, dass werden wir auch tun – mit Auslieferung oder Abholung und auf Rechnung“, sagt Eilers. „Wir kämpfen einfach weiter.“ Das bedeutet: Das Geschäft wird besetzt sein, sieht ein Kunde etwas im Schaufenster wird er es ebenfalls per Lieferung bekommen. Eilers hätte sich allerdings mehr als zwei Tage Vorlauf bis zum harten Lockdown gewünscht: „Vor allem die Zeit für die Abwicklung unserer Aufträge fehlt uns. Aber auch den Branchen, die nicht unbedingt Weihnachtsgeschenke verkaufen, macht der Lockdown Sorgen. „Für den Textil- und Schuhhandel wird es noch schwerer als für andere Branchen sagt Hermann Hinrichs vom Zwischenahner Schuhhaus Hinrichs. „Wir würden jetzt und nach Weihnachten das Geld für die kommende Ware verdienen.“ Strategien hat auch er: Wir haben jetzt vor dem Lockdown durchgehend auf und bieten auch danach Lieferungen an, aber das wiegt keine wochenlange Schließung auf.“ Für Hinrichs muss der Handel ausbaden, was Politik und viele Privatleute der Gesellschaft eingebrockt haben. „Die Politik hat es versäumt, Pläne für Herbst und Winter zu machen“, sagt er. Und von den Kunden bekomme er doch mit, dass auf den gemeinsamen Kaffeeklatsch oder das Frühstück mit Freunden in der Privatwohnung eben nicht verzichtet worden sei. Für ihn steht fest: „Im Facheinzelhandel wird es Tote geben, vor allem, wenn dieser Lockdown verlängert wird.“ „Das ist alles ein bisschen kurzfristig jetzt. Gerade vor Weihnachten, wenn die Leute einkaufen wollen“, sagt der Wiefelsteder Reinhard Osterthun. Er steht im Geschäft von Elektro Eilers an der Wiefelsteder Hauptstraße. Dort will er zwar kein Weihnachtsgeschenk kaufen, aber ab Mittwoch, kann er dort gar nichts mehr erwerben und ist deshalb hier. Wie so viele andere, muss auch das Elektrogeschäft in der Wiefelsteder Ortsmitte coronabedingt schließen. „Die Kunden finden das natürlich alles andere als gut“, sagt Eilers-Mitarbeiterin Claudia Käferhaus. Denn der Elektroladen hat eben auch spezielle Sachen, die man nicht im Supermarkt bekommt. „Das fängt schon bei den Batterien an“, sagt Käferhaus. Oder auch die so genannten Leuchtmittel. Die spezielle Leuchte für die Designerlampe gibt es eben nicht in jedem Geschäft. Claudia Käferhaus sagt aber auch, dass der Elektroladen eben nur ein Standbein von Eilers sei. „Wir haben ja noch unsere Installationen. Das ist eigentlich unser Hauptgeschäft“, sagt Claudia Käferhaus. Kunde Reinhard Osterthun hätte sich gewünscht, dass wenigstens noch der Mittwoch als Einkaufstag hinzugekommen wäre. Im übrigen kann er nicht nachvollziehen, wieso die Zahlen in den vergangenen Tagen so dramatisch gestiegen sind. „Die Menschen haben sich doch nicht alle beim Einkaufen angesteckt.“ Vom erneuten Lockdown sind einige Friseure wirklich überrascht worden. Dazu zählt auch Hani Aral. Sie betreibt die „Friseurlounge“ an der Hauptstraße in Edewecht. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für uns“, sagt die Friseurin, die den Salon vor 3,5 Jahren übernommen hatte. Auch sie habe auf das Weihnachtsgeschäft gehofft – und sah sich dank Mund-Nasen-Schutz sowie Hygiene- und Abstandsmaßnahmen darauf vorbereitet. „Den Umsatz plant man ein – jetzt geht er einfach flöten.“ Normalerweise würden sich die Kunden zu den Feiertagen noch einmal schicke Frisuren machen lassen. Dieses Geschäft ließe sich nicht nachholen. Eigentlich wäre Aral am Montag allein im Friseursalon gewesen. Doch wegen des Lockdowns holte sie ihre drei Mitarbeiter dazu. Permanent habe das Telefon geklingelt, und innerhalb von zwei Stunden seien alle Termine ausgebucht gewesen. Um den Ansturm überhaupt ein wenig bewältigen zu können, wurden die Öffnungszeiten verlängert. „Heute werden wir erst gegen 22 Uhr zu Hause sein“, sagt die Friseurin. Klar ist für Aral: „Es muss Hilfe kommen. Ich weiß sonst nicht, wie es weitergehen soll. Wer schon einmal in der Vorweihnachtszeit durch die Rasteder Mühlenstraße gefahren ist, der weiß, wie viele Menschen dort Jahr für Jahr bei Hobbensiefken auf die Suche nach Geschenken gehen. Kurz vor Weihnachten tritt der Lockdown das Fachgeschäft nun ein zweites Mal in diesem Jahr. „Im Frühjahr hatten wir gerade unsere Osterausstellung aufgebaut“, erzählt Anke Hobbensiefken. Ohne dass auch nur ein Ausstellungsstück verkauft wurde, musste die Osterdeko seinerzeit jedoch wieder abgebaut und in den Keller gebracht werden. „Damals habe ich gesagt, das ist nicht schön, aber wenn uns das Weihnachten passiert, wäre es eine Katastrophe“, erinnert sich Anke Hobbensiefken. Trotz des erneuten Lockdowns sagt die Geschäftsfrau heute: „Es ist keine Katastrophe.“ Sie und ihr Mann Dirk hätten davon profitiert, dass sie kaum Laufkundschaft, sondern Stammkunden hätten – und die würden trotzdem kommen. Viele der Stammkunden seien dieses Mal zudem schon sehr früh zum Geschenkkauf im Laden gewesen. „Viele hatten wohl mit einem Lockdown gerechnet“, sagt Anke Hobbensiefken. Insbesondere in der vergangenen Woche habe sie das feststellen können. „Da hatten wir fast jeden Tag bessere Umsätze als letztes Jahr.“ Gleichwohl würden jetzt zehn Tage fehlen, das entgangene Geschäft könne man nicht nachholen. Zum Geschäft gehört auch die Werkstatt, in der individuelle Möbel angefertigt werden – vom Esstisch bis zum Kleiderschrank. Dass in diesem Jahr viele Menschen Zeit und Geld genutzt haben, um ihr Zuhause zu verschönern, das hätten Hobbensiefken durchaus bemerkt. „Bei den Möbeln lief es gut“, sagt Anke Hobbensiefken. Die Werkstatt bleibt auch weiterhin geöffnet und erreichbar. Auf die Weihnachtsausstellung in ihrem Laden hätten sie hingegen verzichtet. Da waren in den vergangenen Jahren schon Handwerkskünstler aus dem Erzgebirge vor Ort in Rastede gewesen oder Künstler, die Weihnachtskugeln beschrifteten. Und stets war das Geschäft gut gefüllt. Mit den Abstandsregeln und einer Beschränkung der Kundenzahl sei so etwas in diesem Jahr allerdings nicht denkbar gewesen, sagt Anke Hobbensiefken. Sie habe aber festgestellt, dass die Kunden durchaus sensibilisiert seien und gezielt zu solchen Zeiten in den Laden gekommen seien, in denen üblicherweise weniger Betrieb herrscht.

Corona-Pandemie: Neuer Lockdown trifft Ammerländer Händler hart

Jens Schopp

Frank Jacob

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