TUCSON Die angeschossene Politikerin Gabrielle Giffords (40) wusste um die Gefahr, in der sie lebt. Mehrfach beklagte sie in den vergangenen Monaten das vergiftete politische Klima im Land, kritisierte die radikale Rhetorik der Republikaner und der Tea-Party-Bewegung. Wegen ihrer Unterstützung für die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama war sie zum Ziel der Konservativen geworden. Sarah Palin markierte auf ihrer Facebook-Seite Giffords Wahlkreis gar mit einem Fadenkreuz. Wer so etwas tut, muss wissen, dass dies Folgen haben kann, warnte Giffords.
Frage nach der Schuld
Das Attentat wühlt die politische Klasse Amerikas auf wie seit Jahren kein anderes Ereignis. Die Schüsse in dem Einkaufszentrum von Tucson waren kaum verhallt, als erste bange Fragen nach der Schuld laut wurden. Zwar sieht es ganz danach aus, dass der 22-jährige Schütze ein politischer Wirrkopf ist, ein instabiler Charakter mit kriminellen Hintergrund doch beruhigen kann das niemand.
Ausgerechnet der zuständige Sheriff, der sich mit politischen Äußerungen zurückhalten sollte, legt die Finger in die Wunde. Sheriff Clarence Dupnik verwies auf die unheilige Entwicklung der immer hässlicheren politischen Auseinandersetzung in den USA und Arizona. Wir sind zu einem Mekka des Hasses und der Vorurteile geworden. Ein derart giftiges Klima könne psychisch labile Menschen beeinflussen.
Angriffe auf Obama
Die Entwicklung ist nicht neu: Bereits kurz nach der Wahl Obamas zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes ist die Stimmung umgeschlagen. Vor allem die Tea-Party-Bewegung forcierte den Ton. Besonders bei Bürgertreffen gegen die Gesundheitsreform ging es hoch her: Plötzlich tauchten Obama-Bilder auf, auf denen er mit einem Hitlerbart zu sehen ist. Weitere Anzeichen, dass die Debatte entgleiste: Immer wieder wurden Behauptungen laut, Obama sei in Wahrheit gar kein Amerikaner, zudem sei er Moslem ein Hauch von Rassismus war zu spüren. Obwohl die Behauptungen längst widerlegt waren chronisch aufgeregte TV-Sender vervielfältigten die quotenträchtige Verunglimpfungen immer wieder.
Die schärfste Kritik äußerte am Sonntag der National Jewish Democratic Council: Es könne kaum Zweifel bestehen, dass das Ausmaß der Bosheit in unserem politischen Diskurs zu der Atmosphäre beigetragen hat, in der das Attentat passierte. Die schwer verletzte Giffords ist Jüdin. In ihrem näheren Umkreis hatte es beängstigende Zwischenfälle gegeben: Mal gingen im Streit um die Gesundheitsreform die Scheiben ihres Büros zu Bruch. Mal fiel einem Besucher einer ihrer Veranstaltungen eine Pistole aus dem Holster.
Keine radikale Politikerin
Die Angeschossene ist alles andere als eine Radikale. Eher im Gegenteil, in ihrer bisherigen Karriere hat sie sich vielmehr den Namen einer Gemäßigten gemacht. Mehr noch: Zum Ärger von Parteifreunden verteidigte sie die strengen Kontrollen an der Grenze Arizonas zu Mexiko und trat sogar, zum Ärger ihrer Parteifreunde, für das Recht auf Schusswaffen ein.
Fast scheint es so, als rückten die Parteien angesichts des Blutbads von Arizona ein wenig zusammen. Gemeinsam beschlossen alle Seiten, die Plenumsitzungen im Abgeordnetenhaus in Washington für diese Woche abzublasen. Dort steht eine harte, eine möglicherweise hässliche Debatte an die Republikaner wollen die Gesundheitsreform zu Fall bringen.