Berlin „Die CDU steht vor einem historischen Parteitag.“ Der das sagt ist ein intimer Kenner der Materie, der frühere bayerische Ministerpräsident und Ex-Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU). Die alles entscheidende Frage, die an diesem Samstag mit Wahlen auf dem ersten komplett-virtuellen CDU-Parteitag endlich beantwortet wird, lautet: Wer der drei Kandidaten macht das Rennen um den CDU-Vorsitz? Der Wirtschaftsexperte Friedrich Merz? Der regierungserfahrene NRW-Ministerpräsident Armin Laschet? Oder Ex-Umweltminister Norbert Röttgen? Nach Einschätzung der allermeisten Kenner ist der Ausgang völlig offen.
Doch es geht bei dem Votum über die Nachfolge der glücklosen Annegret Kramp-Karrenbauer um mehr als nur eine Personalsache. Die 1001 Delegierten stimmen nämlich auch darüber ab, in welche Richtung ihre Partei gehen soll und wer die Zukunft des Landes steuern soll. Denn das Wahlergebnis wird auch Einfluss darauf haben, wer nach der Bundestagswahl im Herbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach 16 Jahren im Amt beerben wird.
Wichtige Fakten zur Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden:
Lediglich einen vagen Fingerzeig auf den Ausgang des Votums liefern jüngste Umfragen. Im Politbarometer lagen auf die Frage, wem man am ehesten zutraue, die CDU erfolgreich in die Zukunft zu führen, Merz und Laschet mit je 28 Prozent gleichauf. Dahinter rangiert Röttgen mit 24 Prozent. Verengt auf die Anhänger von CDU und CSU allerdings führt, wie seit vielen Monaten, Merz mit 37 Prozent deutlich vor Röttgen mit 26 Prozent und Laschet mit 25 Prozent. Allerdings: Die Entscheidung treffen die Delegierten des CDU-Parteitages. Und das sind meist Mandatsträger auf den verschiedenen Ebenen.
Jeder der drei Kandidaten hat seine Unterstützer in der Partei. Bei Merz, der die konservative Note stärker als seine Konkurrenten betont, sind es vor allem der Wirtschaftsflügel und die Junge Union, aber auch Mitglieder in Ostdeutschland. Laschet kann dagegen auf den Rückhalt des Arbeitnehmerflügels, von Frauen in der CDU und Anhängern der pragmatischen, konsensorientierten Merkel-Politik bauen. Röttgen wirbt mit der Aussage, er stehe für kein Lager. Er genießt besondere Sympathie bei jüngeren Parteimitgliedern und setzt auf seine Kompetenz in der Umwelt- und Außenpolitik.
Eine Megaaufgabe des neuen CDU-Vorsitzenden wird sein, nach dem Kampf um die Führung die Reihen der Partei wieder zu schließen und das Aufreißen neuer innerparteilicher Gräben zu verhindern. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um bei den Bundestagswahlen im Herbst die bislang komfortable Umfrage-Führung der Union auch ohne das Zugpferd Angela Merkel zu sichern und umzusetzen. Danach gilt es für ihn dann, eine stabile neue Koalition zu begründen, wahrscheinlich mit den Grünen, mit denen CDU/CSU noch nie auf Bundesebene regierten.
Ob der neue CDU-Bundesvorsitzende im April Chancen hat, zum Kanzlerkandidaten der Union gekürt zu werden, hängt auch von seinem Wahlergebnis an diesem Samstag und den Resultaten der Landtagswahlen im Frühjahr ab. Alle drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz haben signalisiert, dass sie nicht unter allen Umständen auf der Kanzlerkandidatur beharren werden. Es gilt aber dennoch, wie CDU-Vize Volker Bouffier noch einmal betonte, dass grundsätzlich der Vorsitzende der weitaus größeren Unionspartei ersten Zugriff auf diese Kandidatur hat.