Brüssel Ursula von der Leyen dürfte sich diesen 1. November 2019 anders vorgestellt haben. Denn eigentlich wollte die designierte Präsidentin der EU-Kommission an diesem Tag umziehen – von einem eher kargen Büro im Nebengebäude der Brüsseler EU-Kommission in deren Chefetage. Doch derzeit ist Verschieben angesagt. Die französische Kandidatin war bei ihrer Anhörung vor dem zuständigen Ausschuss des EU-Parlamentes durchgefallen. Die Bewerber aus Rumänien und Ungarn hatte der juristische Ausschuss schon vorher aussortiert.
Mindestens bis zum 1. Dezember ist von der Leyen deshalb noch im Wartestand, weil das EU-Parlament nur eine vollständige Kommission billigen oder ablehnen kann. Bis dahin bleiben Kommissionschef Jean-Claude Juncker und seine Kommission weiter im Amt.
Am Montag empfing die CDU-Politikerin den ungarischen Ersatzmann Oliver Varhelyi zum Gespräch. Er war bisher Botschafter Budapests in Brüssel. Aber auch er gilt als enger Vertrauter des umstrittenen Regierungschefs Viktor Orbán, was die Abgeordneten bei der anstehenden Befragung zu intensivem Nachhaken bezüglich Rechtsstaatlichkeit und Solidarität veranlassen dürfte.
Gleich anschließend war die Nummer zwei aus Paris dran: Thierry Breton, früherer Wirtschafts- und Finanzminister in Frankreich, derzeit Chef des IT-Dienstleisters Atos, der unter anderem für die Brüsseler Institutionen tätig ist. Von der Leyen signalisierte Präsident Emmanuel Macron, dass es keine Interessenkonflikte geben werde – obwohl Breton in ihrem Team für die Themen Binnenmarkt, Industrie, Digitalwirtschaft und Verteidigungsstrategie zuständig wäre.
Am Mittwoch und Donnerstag wird sich der Rechtsausschuss des Parlaments mit eventuellen Abhängigkeiten beider Kandidaten befassen. Von der Leyen dürfte ziemlich nervös sein.
Doch auch im Falle einer Zustimmung fehlen weiter zwei Kandidaten. In Rumänien können sich Präsident Klaus Johannis und die abgewählte Premierministerin Viorica Dancila nicht einigen.
Und dann sind da noch die Folgen des verschobenen Brexits: Die 27 Staats- und Regierungschefs hatten ihren britischen Kollegen Boris Johnson verpflichtet, ein Kommissionsmitglied zu benennen – selbst wenn dieses nur wenige Wochen im Amt sein sollte.
Sollte sich auch nur eine dieser beiden Kandidaturen länger als erwartet hinziehen, müsste von der Leyen unter Umständen sogar bis zum 1. Januar 2020 mit ihrer Amtsübernahme warten.