Berlin - Ob Miete, Strom oder Lohn: Ohne Girokonto geht es kaum. „Ein Konto zu haben ist ein Grundbedürfnis wie Nahrungsmittel oder eine Wohnung“, sagt Susanne Vetter von der Schuldnerberatung bei der Berliner Caritas. „Daher sollte es unabhängig von der Einkommenshöhe, negativer Schufa oder laufender Insolvenz für jeden verfügbar sein.“

Dennoch gibt es nach Schätzungen der Verbraucherzentralen in Deutschland zwischen 700.000 und drei Millionen Menschen, die keinen Zugang zu einem Girokonto haben. Das soll sich ändern: Bundesregierung und Bundestagsparteien wollen die Banken zu mehr Verbraucherfreundlichkeit zwingen. Das Parlament debattierte am Freitag in Erster Lesung einen Gesetzentwurf, der die Geldinstitute verpflichtet, künftig auch Asylbewerber, ausländische Studenten, Geduldete oder Wohnungslose als Kunden zu akzeptieren. Jeder, der sich legal in der Europäischen Union (EU) aufhält, soll ab Juni 2016 einen Anspruch auf ein Basiskonto auf Guthabenbasis haben.

Mit der Vorlage setzt die Regierungskoalition eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2014 um. Die Richtlinie betont, dass auch für hilfsbedürftige Menschen eine Teilnahme am EU-Binnenmarkt möglich sein muss. EU-weit sind nach Angaben der Bank für Sozialwirtschaft von der Richtlinie etwa 30 Millionen Bürger betroffen.

Eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Kreditwirtschaft von 1995 zur Einführung von Jedermann-Konten erwies sich als weitgehend unwirksam. Bislang konnten Wohnungslose oder Asylsuchende nur bei wenigen Sparkassen oder Volksbanken ein solches Konto eröffnen. In neun Bundesländern gab es einen Anspruch auf ein Guthabenkonto aus den Landessparkassengesetzen. Dass jetzt ein Gesetz notwendig sei, werfe ein schlechtes Licht auf eine Branche, die immer wieder über staatliche Eingriffe klage, so die CDU-Abgeordnete Mechthild Heil im Bundestag.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) spricht von einem „zentralen Schritt, damit alle Menschen in Deutschland voll am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können“. Das Recht auf ein eigenes Konto erhöhe auch die Chancen bei der Arbeits- oder Wohnungssuche.

Sozialverbände wie die Caritas und die Verbraucherzentralen pochen seit Jahren auf ein solches Basiskonto. Der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärte, die Regelung sei ein „Meilenstein“. Als problematisch wertete die zuständige Referentin Christina Buchmüller allerdings, dass der Gesetzentwurf keine konkreten Vorgaben für Kontoführungsgebühren mache. Es bestehe daher die Gefahr, dass Banken so hohe Kosten veranschlagten, dass sie für sozial Schwache nicht bezahlbar seien. Diese Befürchtung äußerten am Freitag im Bundestag auch Vertreter der Opposition.

Laut Gesetzentwurf soll der Inhaber des Basiskontos eine Bankkarte erhalten, er darf Geld abheben und überweisen. Er kann aber nicht sein Konto überziehen. Darüber hinaus müssen Kreditinstitute nach dem Gesetzentwurf ihre Girokonto-Gebühren künftig so veröffentlichen, dass auch Verbraucher ohne besondere Fachkenntnisse problemlos die Angebote vergleichen können. Dazu sollen auch Vergleichs-Websites bereitgestellt werden, die von staatlicher Seite ein Zertifikat erhalten. Schließlich will der Gesetzgeber den Kunden den Wechsel des Anbieters erleichtern. Von diesen Transparenz-Regelungen werden nach Einschätzung der Verbraucherzentralen alle Verbraucher mit Girokonto profitieren.

Bei einigen Banken stößt das Gesetzesvorhaben allerdings auf wenig Begeisterung. Sie verweisen auf internationale Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche, die eine eindeutige Identifizierung von Bankkunden verlangten. Zugleich hat der Gesetzgeber einige Ausnahmeregelungen zum Schutz der Geldinstitute vorgesehen, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte. So darf eine Bank die Kontoeröffnung verweigern, wenn der Antragsteller bereits anderswo in Deutschland ein Konto hat oder wenn er sich gegenüber dieser Bank strafbar gemacht hat - zum Beispiel durch Finanzbetrug. Ein weiterer möglicher Ablehnungsgrund sind größere Zahlungsrückstände.