Navigation überspringen
nordwest-zeitung
Abo-Angebote ePaper Newsletter App Prospekte Jobs Immo Trauer Shop

Terrorismus Geldnot macht leichtsinnig

Stuhr/Wolfsburg - Trotz Meldepflicht, maschinenlesbarer Ausweise und des Problems, dass heutzutage eigentlich niemand ohne ein Bankkonto auskommt: Untergetauchte Terroristen schaffen es immer wieder, sich über Jahre oder gar Jahrzehnte vor der Polizei zu verstecken. Getarnt als normale Menschen, in normalen Wohnvierteln, als unauffällige Nachbarn.

Das war beim rechtsextremen NSU-Trio so, und das ist bis heute bei den seit Jahrzehnten abgetauchten linksextremen RAF-Terroristen so, ebenfalls ein Trio aus zwei Männern und einer Frau. Wird doch mal jemand geschnappt, dann deshalb, weil beim Geldbeschaffen etwas schief geht.

Penible Organisation

Bei zwei Überfällen fanden sich DNA-Abdrücke von den drei abgetauchten RAF-Leuten, bestätigte der Verdener Staatsanwalt Markus Heusler am Mittwoch. Beide Überfälle scheiterten, einer erst unmittelbar vor dem Jahreswechsel in Wolfsburg, der andere vor einem guten halben Jahr in Groß Mackenstedt (Gemeinde Stuhr). Die Täter konnten beide Male entkommen.

Wohin sie flohen – das wüssten die Ermittler gern. Ernst-Volker Wilhelm Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette sollen ihren letzten Terroranschlag 1993 verübt haben. Sie sollen es gewesen sein, die mit 200 Kilogramm Sprengstoff den Neubau eines Gefängnisses im hessischen Weiterstadt zerstörten. Die Fahndung blieb erfolglos. Seit 2000 gibt es einen Haftbefehl gegen die drei. Aber niemand weiß, wo sie stecken.

Das mag damit zu tun haben, dass die RAF im Laufe ihrer Geschichte Methoden entwickelte, das Leben im Untergrund penibel zu organisieren. Staub, Garweg und Klette stießen zu den Terroristen, als die viele Jahre Erfahrung in konspirativer Lebensführung gesammelt hatten.

Es habe „für beinahe alles“ Listen gegeben, so auch für die Einrichtung konspirativer Fluchtwohnungen, offenbarte der frühere RAF-Terrorist Peter-Jürgen Boock in einem Film des Zeitzeugen-Projekts „Gedächtnis der Nation“. Dazu hätten ein „Geschirrset und ein Haushaltsset“ gehört, die man damals bei Woolworth habe kaufen können. „Das waren zwei Koffer, und da hatte man eigentlich schon einmal das Wesentliche beieinander.“

Überhaupt sei die Einrichtung spartanisch gewesen, mehr als „ein paar Matratzen“ fielen ihm nicht ein, erinnert sich Boock. Mit Bedacht hätten die Linksterroristen aber die Eingangsflure ihrer konspirativen Wohnungen „mehr oder weniger kleinbürgerlich ausgestattet“ – damit man, so Boock, „den Nachbarn eventuell gucken lassen kann. Es kam ja manchmal jemand vorbei und wollte Zucker oder Salz.“

Unauffälliger Auftritt

Ähnlich professionell und bedacht sorgten auch die rechtsextremen NSU-Terroristen für einen unauffälligen Auftritt. Sie hatten sich sorgfältig aus echten Identitäten ihre Tarnidentitäten konstruiert. Sie profitierten bei ihrem Vorgehen wohl auch von der Erfahrung ihrer linksextremen Terrorkollegen von der RAF. Uwe Mundlos, so berichteten es mehrere seiner früheren Jenaer Freunde als Zeugen im NSU-Prozess, habe Berichte über die RAF geradezu verschlungen.

Gemeinsam hatten oder haben der NSU und die Flüchtigen der RAF auch dies: Sie mussten sich im Untergrund auf die nicht immer berechenbare Hilfe freiwilliger Sympathisanten verlassen und waren ansonsten allein auf sich gestellt. Dennoch haben die Sicherheitsbehörden es nur selten geschafft, abgetauchte Terroristen zu fassen. Der NSU flog nur deshalb auf, weil Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei einem Banküberfall gesehen wurden. Und womöglich wird es am Ende der finanzielle Druck sein, der auch das RAF-Trio auffliegen lässt.

Themen
Artikelempfehlungen der Redaktion

ZWANGSVERSTEIGERUNG IN WILHELMSHAVEN Zum Ersten noch kein neuer Eigentümer für altes „Willehad“

Stephan Giesers Wilhelmshaven

ARBEITSMEDIZIN IM NORDWESTEN Immer mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen belasten Unternehmen

Tim Rosenau Im Nordwesten

AUSBAU E-MOBILITÄT EWE Go erhält mit weiterem Unternehmen Zuschlag für Ausbau von 850 Schnellladepunkten

Sabrina Wendt Im Nordwesten

PRACHTBAU AUF NORDERNEY Pläne für Ostfrieslands erstes Fünf-Sterne-Hotel werden vorgestellt

Marc Wenzel Norderney

VEGAN ESSEN IN NIEDERSACHSEN Saftige Burger, bunte Bowls oder knackige Salate – diese Restaurants bieten fleischlose Alternativen

Kim Kristin Loschen Im Nordwesten