Hannover /Mannheim In Niedersachsen wird die SPD zum ersten Mal seit 1998 wieder stärkste Partei. CDU, FDP und Grüne haben Verluste, die Linke legt zu, verfehlt aber wohl den Wiedereinzug in den Landtag. Die AfD erzielt gemessen an ihren teils spektakulären Erfolgen der letzten Wahlen ein mäßiges Ergebnis, wird aber zukünftig offensichtlich auch im 14. Bundesland parlamentarisch vertreten sein.
pdf-Grafik zur Wählerwanderung der SPD
pdf-Grafik zur Wählerwanderung der CDU
pdf-Grafik zur Wählerwanderung der AfD
Die Landespolitik
Dass die CDU nach der dritten verlustreichen Niedersachsen-Wahl in Folge auf ihr schwächstes Ergebnis seit den 1950er Jahren rutscht, hat bei einer klar landespolitisch geprägten Wahl personelle, inhaltliche und imagebezogene Gründe. Vor allem treffen die Christdemokraten in einer vielschichtigen Konkurrenzsituation neben der FDP und der AfD auf eine starke SPD, die mit Sachkompetenz, guter Regierungsarbeit, hoher Reputation und einem angesehenen Regierungschef erfolgreich in der besonders ertragreichen politischen Mitte punktet.
Die Spitzenkandidaten
Repräsentant dieser lagerübergreifenden Integrationsfähigkeit ist zunächst Stephan Weil (SPD). Neben einer ordentlichen Leistungsbilanz – 67 Prozent sprechen von guter Arbeit – überzeugt der Ministerpräsident mit einem sehr guten Imagewert von 2,0 auf der +5/-5-Skala, der auch auf geringer Polarisierung beruht. CDU-Herausforderer Bernd Althusmann – unter SPD-, Grünen- und Linke-Wählern sogar mit Negativimage – wird insgesamt mit 0,8 so schwach bewertet wie kein niedersächsischer CDU-Spitzenkandidat zuvor. Letztendlich wollen 50 Prozent Weil und nur 32 Prozent Althusmann als Regierungschef.
Die Kanzlerin
Erheblich besser als der christdemokratische Spitzenkandidat vor Ort wird in Niedersachsen die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel bewertet (1,8). Dennoch entwickelt die Kanzlerin weniger Zugkraft als etwa in Nordrhein-Westfalen: Hier meinen 33 Prozent, Merkel ist für die CDU hilfreich (schadet: 19 Prozent; weder/noch: 44 Prozent), wobei jetzt auch die Landespolitik für 62 Prozent der Wähler wichtiger war. Dabei kämpft die CDU neben mäßigen Noten für ihre Oppositionsleistung mit Reputationseinbußen als Landespartei (1,3; 2013 1,7), wogegen die Niedersachsen-SPD beim Ansehen Rekordniveau erreicht (2,0; 2013 1,5).
Die kleinen Parteien
Konträr zur SPD wird die Regierungsarbeit der Grünen eher kritisch gesehen. Hinzu kommen leichte Imageverluste der Grünen als Landespartei (0,8; 2013: 1,0). Die FDP überzeugt qualitativ ebenfalls nur bedingt, kann sich aber beim Ansehen rehabilitieren (0,7; 2013: -1,0). Einen besonders miserablen Ruf hat in Niedersachsen die AfD (-3,9), der jetzt auch wichtige Mobilisierungsthemen fehlen. Der Bund bietet übergangsbedingt zurzeit wenig Angriffsfläche, und vor Ort wird die Flüchtlingssituation entspannt gesehen: Für 77 Prozent kann das Land die vielen Flüchtlinge verkraften.
Die Themen
Beim für die Bürger eindeutig wichtigsten Thema, Bildung und Schule, wird der SPD (37 Prozent) weiter mehr zugetraut als der CDU (29 Prozent). Zwar gilt die CDU verkehrspolitisch oder bei Innerer Sicherheit als führend, hat aber in einem Land, dessen ökonomische Verfassung jetzt wesentlich besser als 2013 bewertet wird, in den Bereichen Wirtschaft, Jobs oder Zukunft ihren teils hohen Kompetenzvorsprung eingebüßt.
Die Wähler
Ihre besten Ergebnisse erzielen CDU und SPD mit 39 beziehungsweise 42 Prozent in der Generation 60plus. Die CDU hat hier leichte Verluste, die SPD legt acht Punkte zu. Die FDP, die 2013 massiv von unionsnahen Wählern profitiert und unter älteren Wählern ungewöhnlich stark abgeschnitten hatte, bricht bei den ab 60-Jährigen ein, bei jüngeren Wählern ist sie stabil. Bei den unter 30-Jährigen punkten mit zwölf beziehungsweise sieben Prozent besonders Grüne und Linke, die AfD ist hier und bei den ab 60-Jährigen mit fünf beziehungsweise vier Prozent eher schwach. Bei Arbeitern, Angestellten und Beamten wird die SPD mit 42, 39 beziehungsweise 40 Prozent klar stärkste Partei und kehrt mit 49 Prozent unter Gewerkschaftsmitgliedern hier fast zu alter Stärke zurück. CDU und FDP sind mit 42 beziehungsweise 14 Prozent unter Selbstständigen besonders erfolgreich. Und während die Stadt-Land-Unterschiede bei der SPD gering ausfallen, schafft die CDU in kleinen Städten 40 Prozent, in Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern aber nur 25 Prozent.
Die Koalitionen
Obwohl in Niedersachsen jetzt auch klassische Lagerpolarisierung und eine echte Konfrontation in der politischen Mitte den Spielraum an den Rändern verengt, reicht es in einem weiteren Landtag mit AfD-Präsenz nicht für die mehrheitlich befürwortete rot-grüne Neuauflage. Neben der Großen Koalition aus Sozialdemokraten und Christdemokraten bleiben somit nur die beiden Drei-Parteien-Bündnisse Ampel oder Jamaika, die in Niedersachsen auf durchweg wenig Gegenliebe stoßen.
Die Befragung
Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1467 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Niedersachsen in der Woche vor der Wahl sowie auf der Befragung von 16 102 Wählern am Wahltag.