Hannover Sie bekommen Hassmails, ihre Autos werden zerkratzt, sie werden beleidigt, beschimpft, bespuckt, geschlagen und es fallen sogar Schüsse: Mitarbeiter in Kommunen sowie Rettungskräfte und andere ehrenamtliche Helfer sehen sich immer wieder Übergriffen ausgesetzt. Der Innenausschuss des Landtages hat sich am Donnerstag mit einem Antrag von SPD und CDU befasst, wonach Land und Kommunen gemeinsam gegen derartige Fälle von psychischer und physischer Gewalt vorgehen sollen. Das scheint auch dringend notwendig, wenn man den Experten glaubt, die dazu im Ausschuss ihre Eindrücke und Erlebnisse aus der Praxis schilderten.
Bundesweites Entsetzen
Zu den Gästen im Ausschuss gehörte auch Carsten Vetter, Erster Kreisrat in Hameln-Pyrmont. Ende April 2013 hatte der gewaltsame Tod des Hamelner Landrats Rüdiger Butte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Ein 74-Jähriger war ohne Termin im Kreishaus aufgetaucht. Als der Verwaltungschef ihn in sein Büro bat, feuerte der Rentner die tödlichen Schüsse auf den Landrat ab und tötete sich danach selbst.
NWZ-Kommentar zur Gewalt gegen Amtsträger: Übergriffe verfolgen
„Solch ein traumatisches Erlebnis wünsche ich keinem. Wer das damals erlebt hat, vergisst das nie“, sagte Kreisrat Vetter vor den Ausschussmitgliedern. Mittlerweile sei im Kreishaus nicht nur ein Leitfaden zum Verhalten in solch extremen Situation entwickelt worden, sondern der Landkreis habe auch einen externen Sicherheitsdienst engagiert, um seine Mitarbeiter zu schützen. In jüngster Zeit habe es zwölf Strafanzeigen gegen Reichsbürger gegeben, die im Kreis Hameln-Pyrmont verstärkt aufträten, „und wir haben pro Jahr fünf bis sechs heftigere Bedrohungsfälle, die Strafanzeigen nach sich ziehen“, erläuterte Vetter. Bedrohungen richteten sich nicht nur gegen den Landrat oder Amtsleiter, sondern insbesondere auch gegen Mitarbeiter des Jugendamtes, Ordnungsamtes und des Straßenverkehrsamtes – „immer da, wo es an die persönlichen Werte der Betroffenen geht, wo es Probleme bei der Familienzusammenführung gibt, unabhängig davon, ob es sich um Deutsche oder Migranten handelt“, schilderte Kreisrat Vetter die Situation.
Übelste Beleidigungen
Vom „Zeitalter der Verbalinjurien“, also übelster Beleidigungen, sprach Dr. Ralf Selbach, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Landesverband Niedersachsen. „Wir erleben tagtäglich umfängliche Formen von Anfeindungen“, betonte Selbach. Die Bereitschaft, Aggressionen gegenüber helfenden Kräften auszuüben, nehme zu. Das sei jedenfalls die subjektive DRK-Wahrnehmung, dieser Zustand sei bedrückend. Insbesondere nähmen auch die Anfeindungen durch Gaffer an Unfallstellen zu, hier komme es zu Verhaltensweisen die geradezu „ekelhaft“ seien.
Selbach forderte zur Mäßigung und zur „verbalen Abrüstung“ auf, außerdem sei eine konsequente und zeitnahe Strafverfolgung unabdingbar. Eine Forderung, die auch Dr. Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, unterstrich. „Wir erwarten eine konsequente Strafverfolgung dieser Delikte“, sagte Trips. Ansonsten fänden sich insbesondere fürs Ehrenamt bald keine Helfer mehr.