Karlsbad Im Treppenhaus stürmen Schulkinder an Landrat Christoph Schnaudigel vorbei, der sie lächelnd grüßt. „Wir haben hier eine unserer besten Unterkünfte für Asylbewerber“, sagt der CDU-Politiker, der für die Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis Karlsruhe verantwortlich ist. „Sie hat nur das Pech, dass sie im Gewerbegebiet liegt.“
Deswegen hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschieden, dass die 108 Asylbewerber bis zum 15. November raus müssen aus dem ehemaligen Hotel und späteren Firmengebäude in Karlsbad-Ittersbach. Aber der Landrat hofft auf ein neues Gesetz zum Bauplanungsrecht: Am 6. November berät der Bundestag über eine Initiative aus dem Bundesrat, damit Flüchtlinge ab 2015 in Ausnahmefällen auch in Gewerbegebieten untergebracht werden können.
In Karlsbad wären die Auswirkungen des VGH-Urteils vom September besonders krass gewesen: Das Gebäude selbst liegt im Gewerbegebiet, der zugehörige Parkplatz aber schon im angrenzenden Mischgebiet. Weil dort die Unterbringung zulässig wäre, bereitet der Landkreis die Aufstellung von Containern auf dem Parkplatz vor. „Das ist eine rechtliche Lösung, keine ideale“, sagt Schnaudigel bei einem Besuch der Einrichtung - und hofft doch noch auf eine Verständigung mit dem Kläger in der Nachbarschaft.
Mit arabischer Gelassenheit erwartet der kurdische Syrer Ali Qais, was immer auch kommen mag. „Ich weiß nicht, was geschehen wird, wohin wir dann gehen, wenn dieses Haus geschlossen wird“, sagt der 41-jährige Familienvater. „Was können wir schon tun?“
Karlsbad ist kein Einzelfall. Auch in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) verhinderten Anwohner mit den Mitteln des Baurechts die Einrichtung einer Unterkunft für Asylbewerber. Ähnlich entschieden Verwaltungsrichter zu einer Unterkunft in Hamburg-Lokstedt. Der Hamburger Senat brachte dann mit Unterstützung von Bremen und Baden-Württemberg den „Entwurf eines Gesetzes über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen“ auf den Weg. Bis Ende 2019 sollen demnach Flüchtlingsunterkünfte auch in Gewerbegebieten ausnahmsweise zugelassen werden.
„Das ist erfreulich schnell gegangen“, sagt Landrat Schnaudigel. Die Landkreise stehen bundesweit unter Druck, Unterkünfte für Asylbewerber zu finden. Jeden Monat erhalte der Landkreis 160 Flüchtlinge neu zugewiesen. Bei einer Kapazität von 1500 Plätzen zum kommenden Jahreswechsel müssten 2015 rund 2000 neue Plätze geschaffen werden. „Da würde uns diese Gesetzesänderung große Erleichterung schaffen.“ Damit steht er nicht allein. Im Rems-Murr-Kreis sagt Landrat Johannes Fuchs (FDP): „Wenn wir überhaupt eine Chance haben, die Zuwanderer geordnet zu beherbergen, dann sind wir zwingend auf Gewerbeflächen für Unterkünfte angewiesen.“
Dabei müsse aber klar sein, dass es sich nur um eine befristete Ausnahmeregelung handle, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Anneke Graner, in deren Wahlkreis die Unterkunft in Karlsbad liegt. Für die Integration von Asylbewerbern seien Gewerbegebiete nicht der richtige Weg: „Wir wollen keine Gettoisierung, sondern die Menschen in kleineren Einheiten in Wohngebiete bringen.“
Auch Landrat Schnaudigel hält grundlegende Änderungen für nötig. „Die Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dauern zu lange. Das ist für uns, aber auch für die betroffenen Menschen kein Zustand.“ Und für Flüchtlinge, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kämen, sei das Asylrecht der falsche Weg. „Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz“, fordert der CDU-Politiker. Auch in der CDU habe in dieser Frage ein Umdenken eingesetzt.
Die 108 Bewohner in Karlsbad, unter ihnen 45 Kinder und Jugendliche, kommen aus Gambia, Eritrea, Pakistan, Afghanistan, Syrien und Serbien. „Alle Bewohner wissen, dass sie vielleicht das Gebäude verlassen müssen“, sagt Sozialarbeiterin Elena Berlinghof. „Größere Unruhe gibt es deswegen aber nicht.“
Ali Qais kommt aus Al-Malikiya, aus dem Konfliktgebiet im Dreiländereck zwischen Syrien, der Türkei und dem Irak. Mit Frau und seinen beiden Kindern im Alter von sieben und zehn Jahren kam er im August nach Deutschland, zuerst in die Erstaufnahmeeinrichtung nach Karlsruhe. „Hier ist alles sehr sauber und viel besser als in den ersten Tagen in Karlsruhe“, sagt der kurdische Flüchtling. „Alle sind sehr nett hier. Ich bin so dankbar, dass wir in Deutschland Aufnahme finden.“