BERLIN Die Union stand dem CSU-Chef pflichtgemäß bei. Doch die kritischen Stimmen waren deutlich in der Mehrzahl.
Von Alfons Pieper BERLIN - Wenn Du denkst, es geht nichts mehr, kommt irgendwo ein Stoiber her. Selten dürfte der bayerische Ministerpräsident dem Bundeskanzler eine solche Freude bereitet haben wie in diesen Tagen. Stoibers Attacken auf den Osten, auf die Frustrierten, die ihm 2002 auf den letzten Metern den Wahlsieg entrissen hätten – glaubt Stoiber – kommt Gerhard Schröder wie gelegen. Er braucht die Eigentore der Union, um den Abstand zwischen der SPD und der CDU zu verkleinern.
So bedauert der CSU-Chef, dass nicht überall in der Republik so kluge Menschen lebten wie in Bayern. Er akzeptiere es nicht, dass „letzten Endes erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird.“ Stoiber fügt hinzu: „Es darf nicht sein, und das ist der Appell auch an alle Vernünftigen, dass letztlich die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands entscheiden.“
Stoibers Attacken werden als gezielt beurteilt, zumal er sie gerade wiederholte. Der CSU-Politiker gehe davon aus, so Wahlforscher, dass im Osten für die Union nicht viel zu holen sei. Also setze er auf die stärkere Wechselstimmung im Westen.
Der Osten heult auf. Die Berliner CDU-Spitzenkandidatin für den Bundestag, Monika Grütters, distanziert sich von Stoibers Äußerungen. „Es macht mich sehr traurig, dass die Gegensätze zwischen Ost und West so betont werden.“
Während die CSU ihrem Chef pflichtgemäß beisteht, grenzte sich die FDP scharf von Stoiber ab. Es sei völlig falsch, wenn im Wahlkampf West gegen Ost und Ost gegen West ausgespielt werde.
Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow begibt sich in seiner Gegenattacke auf das Niveau der Bierzelt-Atmosphäre. „Offenbar ist Stoiber das Weißbier in den Kopf gestiegen.“ Seine Äußerungen seien „an Dummheit und Arroganz nicht zu überbieten.“
Kontraproduktiv, rufen die einen, Stoiber schade Angela Merkel, meinen andere. Die SPD reibt sich die Hände. Stoiber agiere „wie eine beleidigte Leberwurst, weil er die Wahl 2002 auch im Osten verloren hat“, sagt Franz Müntefering. Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) hält dem Bayern vor, der halte nichts von den Ostdeutschen. Stoiber wolle den Ostdeutschen das Wahlrecht entziehen, empört sich der Theologe Friedrich Schorlemmer. Der Hallenser Psychotherapeut Hans-Joachim Maaz urteilt, die CDU sei damit als stärkste Kraft im Osten erledigt.
Auffallend, dass die CDU-Ministerpräsidenten im Osten und andere prominente Christdemokraten wie die Ex-Ministerin Nolte in der Causa Stoiber zunächst auf Tauchstation gingen. Von dort kommt bislang keine Schützenhilfe für Stoiber.
Der eine oder andere in der CDU misstraut dem ehrgeizigen Stoiber. Er habe die Niederlage 2002 nicht verwunden. Und Stoiber könne sich offensichtlich immer noch
nicht mit einer Kanzlerkandidatin Merkel anfreunden.
Der Merkel-Biograf Hugo Müller Vogg antwortete auf die Frage, ob Unions-Männer wollen, dass Merkel verliert: „Es gibt welche, die sagen: Wenn Merkel gewinnt ist es gut – wenn Merkel verliert, auch.“