Ankara Überraschende Kehrtwende: Die gesamte türkische Staatsspitze hat am Freitag Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) empfangen. Sowohl Präsident Abdullah Gül wie auch Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nahmen sich viel Zeit für den amtierenden Bundesratspräsidenten. Offenbar wollte die türkische Regierung ein Zeichen der Entspannung setzen nach dem heftigen Ärger mit Bundespräsident Joachim Gauck. „Es waren offene und freundliche Gespräche, aber auch alle kritischen Punkte wurden angesprochen“, sagte Weil nach der Begegnung mit Gül der NWZ , die als einzige Zeitung an den Treffen teilnahm.
Gauck hatte bei seinem Staatsbesuch in der Türkei Ende April in Ankara die autoritäre Politik des islamisch-konservativen Regierungschefs kritisiert und war dafür im Gegenzug öffentlich von Erdogan attackiert worden. Am Donnerstag hatte auch Weil bei einer Rede an der Universität in Istanbul den Schutz der Meinungsfreiheit angemahnt und die Äußerungen Gaucks in Schutz genommen.
Sowohl Gül als auch Erdogan drängen auf eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union. „Der EU-Beitritt ist ein wichtiges politisches Ziel“, betonte Erdogan im Vier-Augen-Gespräch mit Weil. Er zeigte „Unverständnis, dass es nicht weitergeht“. Erdogan forderte, dass die Kapitel 23 und 24 eines EU-Vertrags, in dem die Grund- und Menschenrechte geregelt werden, „schnell verhandelt werden“.
Auch Präsident Gül machte unmissverständlich klar: „Wir wollen die EU-Gespräche intensivieren.“ Gül verteidigte zugleich sein Land gegen die Kritik über Grundrechtsverletzungen und fehlende Meinungsfreiheit. Weil verwies jedoch auf die Inhaftierung von Journalisten und forderte die türkische Regierung auf, Justiz-Urteile zu respektieren, überall Meinungsfreiheit zuzulassen.