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Geschichte Klinkerbarone machten Dampf

Bockhorn - Ein Besuch des Vareler Amtshauptmanns Peter Friedrich Carl von Buschmann vor den Gemeinderäten in Bockhorn, Neuenburg und Zetel stand 1886 am Anfang eines ehrgeizigen Eisenbahnprojekts. Buschmann warb vor den Räten für eine Ringbahn zwischen Varel, Bockhorn, Zetel und Neuenburg. Freilich sollten sich die Gemeinden am Bau mit zehn Prozent der Baukosten beteiligen, a fonds perdu, wie der Amtshauptmann mitteilte – bei Verzicht auf eine Gegenleistung.

Für die Gemeinde Neuenburg waren das damals 30000 Mark. Kaufleute und Unternehmer, darunter viele Ziegeleibesitzer, unterstützten das Vorhaben und unterschrieben eine Petition, der Landtag möge die Eisenbahnlinien Ellenserdamm-Bockhorn-Grabstede und Varel-Neuenburg genehmigen. Doch es dauerte noch einige Jahre, bis die ersten Züge nach Bockhorn dampften. Am 1. Januar 1893, vor genau 125 Jahren, wurden die ersten Streckenabschnitte von Varel nach Bramloge und von Ellenserdamm nach Bockhorn eröffnet. Später, bis 1896, waren die beiden Strecken Ellenserdamm-Bockhorn-Grabstede sowie Varel - Bockhorn - Zetel - Neuenburg komplett.

Streit ums Geld

Vorausgegangen war ein jahrelanger Streit um die Streckenführung und die Höhe der finanziellen Beteiligung. Einige der Ziegeleibesitzer beteiligten sich finanziell am Streckenbau. Die Strecken verbanden eine ganze Reihe von Ziegeleistandorten, die in Varel und der Friesischen Wehde seit dem 18. Jahrhundert bestanden und seit dem Hafenbau in Wilhelmshaven Mitte des 19. Jahrhunderts sowie durch den technologischen Fortschritt in der Brenntechnik einen enormen Aufschwung erfuhren. So ist auch die kurvenreiche Streckenführung zu erklären. Die Strecke wurde so gelegt, dass die Ziegeleien direkt erreicht wurden. An der ersten Strecke von Varel nach Bramloge lagen mehrere Ziegeleien, darunter die später dominierende Ziegeleien Schwarting und de Cousser, auf dem weiteren Streckenabschnitt nach Bockhorn lagen weitere Ziegeleien. Auch die andere 1893 eröffnete Strecke verband die Bockhorner und Grabsteder Ziegeleien mit dem Hafenort Ellenserdammersiel und eröffnete den Ziegeleien des „Klinkerbarons“ August Lauw in Bockhorn sowie der (einzigen heute noch existierenden) Klinkerziegelei Uhlhorn in Grabstede neue Absatz- und Transportwege. Bis 1896 war die Strecke Richtung Neuenburg weitergebaut, sodass auch die Ziegeleien in Neuenburg ihre Produkte per Bahn versenden konnten. Dort befanden sich in Schweinebrück nahe Neuenburg die Klinkerziegeleien von Bernhard Röben, einem Schwiegersohn von August Lauw. Röben, heute Röben Tonbaustoffe, ist wiederum der einzige noch existierende Ziegeleibetrieb in Zetel (wo freilich heute Klinkerplatten, keine Klinkersteine mehr hergestellt werden). Die wirtschaftliche Bedeutung der Ziegeleien macht die Zahl von mehr als 60 Standorten deutlich, an denen im Laufe von 1600 bis in die Gegenwart Klinker hergestellt wurden und werden. Dazu kamen Torfvorkommen in der Region, sodass auch der Brennstoff für die Ziegeleien vorhanden war. 1897, ein Jahr nach dem Anschluss Neuenburgs an das Bahnnetz, wurden dort 307 Tonnen gebrannte Steine versandt. 1900 waren es schon 2700 Tonnen (und schon 40 Prozent der versandten Waren). 1913 wurden von allein von Bockhorn aus 22 500 Tonnen Steine versandt, insgesamt waren es 80 000 Tonnen Steine, die 1913 auf den Nebenbahnen transportiert wurden. Dazu konnten die Landwirte Dünger beziehen, der auf der Strecke angeliefert wurde.

Von Bockhorn nach Wilhelmshaven pendelten täglich acht Personenzüge, die Arbeiter zur Kaiserlichen Werft brachten. Für die 30 Kilometer von Ellenserdamm nach Ocholt brauchte der Personenzug 1950 1 Stunde und acht Minuten. Zeit brauchte auch, wer von Varel nach Neuenburg wollte: Für 19 Bahnkilometer benötige der Zug 43 Minuten. Der Personenverkehr wurde auf beiden Linien 1954 eingestellt, der Güterverkehr auf der Strecke Bockhorn-Ellenserdamm endete 1966.

Das ging einher mit der Schließung zahlreicher Ziegeleistandorte zwischen 1960 und 1970. Schon nach dem 2. Weltkrieg hatten die Ziegeleien auf den flexibleren Lastwagentransport gesetzt. Und von den zuletzt 14 Ziegeleien um 1960 waren um 1970 vier Standorte für Bockhorner Klinker übriggeblieben (Schwarting, de Cousser, Uhlhorn und Tapken) und Röben in Schweinebrück (der aus dem Vertriebskartell ausgetreten war). Güterverkehr gab es auf der Strecke Varel - Neuenburg noch bis 1991. 1992 wurde sie wegen des baulichen Zustands geschlossen.


Öl gefördert

Der Vareler Helmut Herde ist in der Nähe der Bahnstrecke aufgewachsen. Er erinnert sich an die Zeit, als die Strecken „unter Dampf“ befahren wurden, vor allem an die Warnzeichen vor den unbeschrankten Bahnübergängen. „Die Dampflokomotiven hörte man weit“, sagt Herde. Auf der Vareler Bahnhofsbrücke konnte man die Güterzüge aus Bockhorn und Neuenburg nachmittags pünktlich vorbeischnaufen sehen, acht Güterwagen hinter der Dampflok. Dienstags und donnerstags kamen auch die Ölwaggons aus Diekmannshausen, denn dort wurde bis Anfang der 90er Jahre Öl gefördert.

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