Oldenburg Im Streit um die AfD-kritischen Aussagen von Polizeipräsident Johann Kühme stehen Niedersachsens Polizeichefs geschlossen hinter ihrem Oldenburger Kollegen: In einer gemeinsamen Erklärung mit der Überschrift „Polizeischutz für die Demokratie“ haben die höchsten Führungskräfte der Polizei Kühmes Worte „als von unsere Verfassung abgedeckte und jederzeit zulässige Meinungsäußerung“ bezeichnet, „der wir uns vollumfänglich anschließen“. Unterzeichnet haben die am Dienstagmittag veröffentlichte Erklärung die Präsidenten der anderen fünf Polizeidirektionen des Landes, die Chefs von Landeskriminalamt und Zentraler Polizeidirektion sowie der Direktor der Polizeiakademie Niedersachsen.
Kühme hatte bei einer Informationsveranstaltung zum Thema Hass und Hetze gegen Amtsinhaber und Mandatsträger gesagt, er schäme sich, wenn AfD-Bundestagsabgeordnete Muslime „pauschal als Kopftuchmädchen und Messermänner bezeichnen oder die Nazi-Gräueltaten als Vogelschiss in der deutschen Geschichte verharmlosen“. Die niedersächsische Landtagsfraktion der rechtspopulistischen Partei hatte Kühme, der Mitglied der SPD ist, daraufhin einen „Scharfmacher gegen die AfD“ genannt. Mit einer „Kleinen Anfrage“ an die Landesregierung will die AfD zudem klären lassen, ob Kühme seine Neutralitätspflicht als politischer Beamter verletzt habe.
Die Polizeichefs befürchten nun, dass mit der Kleinen Anfrage „zukünftig kritische Äußerungen gegen rechte Parolen verhindert und Führungskräfte eingeschüchtert werden sollen“. In ihrer Erklärung stemmen sie sich „gegen den Versuch, mittels einer parlamentarischen Anfrage berechtigte Kritik in der Polizei unterdrücken zu wollen“. Verbalen Diskriminierungen dieser Art müsse widersprochen werden, denn sie entsprächen nicht der gelebten Polizeikultur in Deutschland. Polizisten hätten eine „Widerspruchspflicht“.
Lesen Sie auch:„Personen und vor allem Politikern, die geschichtsrevisionistische Positionen vertreten und damit den Nationalsozialismus und seine Folgen zu bagatellisieren versuchen“, müsse „entschieden“ entgegengetreten werden, heißt es weiter in der Erklärung. „Denn die Weimarer Republik ist nicht an ihren Gegnern gescheitert, sondern an der fehlenden Kraft ihrer Befürworter. Es gilt deshalb, die demokratische Haltung jedes einzelnen in der Polizei zu stärken.“
Kühme begrüßte die Solidaritätsadresse der niedersächsischen Kollegen. „Natürlich betrachte ich die Erklärung auch als Unterstützung“, sagte er auf Nachfrage der NWZ. „Vor allem macht sie aber deutlich, dass wir geschlossen handeln und uns auch öffentlich äußern, wenn dies zur Abwehr von Gefahren für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung notwendig ist.“
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) missbilligt das Vorgehen der AfD gegen den Oldenburger Polizeipräsidenten. „sAngesichts des zunehmenden Populismus, angesichts der zunehmenden Verbreitung von Hassbotschaften und angesichts von massiven Pöbeleien bis hin zu Angriffen, Morddrohungen und Tötungsdelikten ist es dringend geboten, sich positionieren und Haltung zu zeigen“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff. „Offenbar versucht die Partei, Angst zu schüren und Maulkörbe zu verteilen. Die freie Meinungsäußerung gilt aber für alle. Wir werden uns davon nicht beeindrucken lassen“, so Schilff weiter.
Der Oldenburger Polizeipräsident warnt seit längerem vor einer Verrohung der Sprache. Im Interview mit der NWZ sagte er vor wenigen Tagen: „Aus Sprache kann Hass entstehen, aus Hass kann Hetze entstehen, Hetze kann zu Gewalt führen.“ Es sei seine Pflicht als Polizist, auf diese Gefahr hinzuweisen und vorbeugend tätig zu werden, damit es gar nicht zu erst zu Straftaten wie Beleidigung, Bedrohung oder sogar Gewalt komme.
Lesen Sie das große NWZ-Interview mit dem Polizeichef: „Johann Kühme warnt vor Hass und Hetze“