Westoverledingen - Auf den Zeichnungen vorne an der Wand des Ratsaals streckt sich die „größte Drehbrücke Europas“ bereits majestätisch über die Ems. Genau an der Stelle der 2015 durch einen Frachter zerstörten Friesenbrücke. Ein Jahrhundertbauwerk. Ob’s auch so lange dauert? Wird der Wiederaufbau zur unendlichen Geschichte, wie Skeptiker befürchten? Der Informationsabend der Deutschen Bahn im Rathaus von Ihrhove setzt am Montagabend mehr Frage- als Ausrufezeichen für die neue Eisenbahnbrücke.
Das technische Wunderwerk benötigt ein gigantisches Drehlager von 12 Metern Durchmesser, der schwenkbare Teil besitzt eine Spannweite von 142 Metern, um die Ems zu überbrücken. Kleines Problem: Trägt der Emsboden überhaupt eine solche solche Stahllast mit zig Tonnen Gewicht? Die Passage zwischen den beiden Hauptpfeilern entspricht der Breite des Panama-Kanals. Meyers Schiffsriesen aus Papenburg passen bequem durch.
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So ein Rekordbau braucht Zeit, räumt die Bahn ein. Im Terminkalender steht das Datum 2024 für die Inbetriebnahme. Nur Optimisten glauben noch an dieses Datum. Die jetzt erstellten „Vorplanungen“ müssen noch bis Herbst 2019 auf den endgültigen Stand für das Eisenbahn-Bundesamt gebracht werden. Daran schließt sich ein umfangreiches „Planfeststellungsverfahren“ an. Dauer? „Wir gehen von 18 Monaten aus“, sagt ein Bahnsprecher – um sofort hinzuzufügen: „Wenn es 36 Monate werden, dann können wir es auch nicht ändern“. Damit wären es von heute gerechnet schon 51 Monate – oder das Jahr 2022 erreicht. Anschließend folgt die europaweite Ausschreibung für Baufirmen – „circa neun Monate“, heißt es. So rutscht das Mega-Projekt Friesenbrücke nur mit den Vorbereitungen allein schon in Richtung 2024. Aber noch nicht ein Bagger steht auf der Baustelle.
Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung lauern die nächsten Risiken. Der gesamte Bereich ist umgeben von Schutzzonen. „Die Biotope sind besonders wertvoll“, betont ein Umweltspezialist. Nicht nur die EU-Vogelschutzrichtlinie muss beachtet werden, sondern auch „die Bereiche für Gast-Vögel“. Lärmauswirkungen auf Fauna und Flora stehen ebenso in der Prüfliste wie „Flugrouten für Fledermäuse“. Nicht zu vergessen: „Wandernde Fischarten“ und die „Amphibien im Fluss“. Ebenso im Fokus: „Archäologische Verdachtsflächen“. Nur in einem Punkt müssen sich die Anlieger trotz Hightech nicht umstellen: die Brücke befahren nur Dieselloks. „Eine Elektrifizierung ist nicht vorgesehen“, sagt die Bahn.