Bad Bentheim - Nach Knotenpunkten kann man in der Grafschaft Bentheim – laut NDR einem „Paradies zum Radfahren“ – und der benachbarten Region Twente radeln. Zeit für eine Testfahrt.
Dass man in den Niederlanden gut radeln kann, hat sich herumgesprochen. Und schon vor Jahren wurde die Grafschaft Bentheim zum „fahrradfreundlichsten Landkreis des Landes Niedersachsen“ gekürt. Also los.
Unsere Räder leihen wir beim VVV Nordhorn, womit wir uns schon mal fast in den Niederlanden wähnen, denn so heißen dort die Tourist-Infos. In einer Radkarte, die wir erhalten, sind mehr als 250 Knotenpunkte verzeichnet, ein System, dass aus dem Bergbau übernommen wurde und das Radeln sehr vereinfacht. Überall dort, wo sich zwei oder mehrere Wege kreuzen, ist ein Knotenpunkt. Jeder dieser Punkte hat eine Nummer, von 1 bis 99. Man muss sich also nur ein paar Nummern auf einem Zettel notieren, und schon kann es losgehen.
Glamping-Basislager
Vom VVV in Nordhorn bis zur Grenze sind es vier Knotenpunkte oder fünf Kilometer. Gleich hinter der Grenze liegt das Camping Papillon Country Resort. Hier haben wir ein Zelt gemietet, doch was heißt hier schon Zelt. Unser „Air Lodge 2.0 Family Hottub“ ist zweistöckig, mit Küchenzeile, Badezimmer und Sonnenterrasse.
Also Glamping statt Camping. Und ein gutes Basislager für Radtouren. Remco Schulte, der gute Geist an der Rezeption, schüttelt auch gleich ein paar Tipps aus dem Ärmel. Nach Singgraven müsst ihr, sagt er, und nach Ootmarsum, von wegen Kultur. Und was die Natur betrifft: Lutterzand und Bergvennen, unbedingt!
Nun denn, alles machbar, alles in der Nähe. Ootmarsum, nur sechs Knotenpunkte oder zwölf Kilometer entfernt, rühmt sich, die „Perle von Nordost-Twente“ zu sein. Ein schmuckes Städtchen, viele Geschäfte, etliche Galerien, gut touristisch – kann man mal machen.
Landgut mit Arboretum
Für Singgraven, ein Landgut, brauchen wir nicht mal Knotenpunkte. Wir radeln fünf Kilometer am Nordhorn-Almelo-Kanal entlang und biegen dann links ab. Das Herrenhaus mit seiner neo-klassizistischen Fassade liegt in der Schleife eines Flusses, der Dinkel, und kann nur bei einer Führung besichtigt werden. In den angrenzenden Park und ein Arboretum kommt man ohne Führung. Und bei der Wassermühle auf dem Landgut handelt es sich um eine Sägemühle – die einzige in den Niederlanden, die mit Wasser betrieben wird.
Am nächsten Tag steuern wir Lutterzand an, ein Naturschutzgebiet im Süden unseres Zeltplatzes, gerade mal zehn Kilometer entfernt. Anfangs erinnert uns die Landschaft an heimische Gefilde: Maisfelder und saftig grüne Weiden, auf denen Schwarzbunte grasen – ein vertrauter Anblick.
Doch dann ändert sich das Landschaftsbild. Wir radeln durch Pinien-, Birken- und Eichenwald, vorbei an Heideflächen, Wacholdersträuchern und Brombeerbüschen, bei denen man gleich stehenbleiben und ernten möchte, quasi als Vorspeise. Unser Einkehrtipp für den größeren Hunger: De Lutte Hutte, eine Hütte mitten im Wald, an deren Tresen man Snacks, „een koppje Koffie“ und „lekker“ Kuchen ordern kann.
Für den Rückweg haben wir uns die Knotenpunkte 58, 55, 20, 19, 82 und 13 notiert – eigentlich überflüssig, denn wir müssen nur dem „Fietspad“ direkt an der Grenze folgen, ausgeschildert auch als „Smokkelroute“. Unterwegs passieren wir zwei „Kommissarshütten“, einfache Unterstände, halb in der Erde verborgen, in denen früher sowohl niederländische als auch deutsche Zöllner ausharrten und durch Gucklöcher die nähere Umgebung im Auge behielten.
Treffen mit Schmuggler
Kräftig geschmuggelt wurde vor allem in Zeiten des Mangels, zum Beispiel in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, als es vieles nur auf Lebensmittelkarte gab. Albert Rötterink, den wir beim ehemaligen Zollhäuschen am Nordhorn-Almelo-Kanal treffen, kann sich noch gut daran erinnern.
Mehr noch: Er hat selbst geschmuggelt, mit gerade mal zehn oder zwölf Jahren. Das war „aus der Not geboren“, sagt der 78-Jährige. Die Textilwerke in Nordhorn waren kaum zerstört. Und die Menschen, die dort arbeiteten, „brauchten jede Menge Kaffee“. Kaffee aber gab es, wenn überhaupt, nur „zu Weihnachten oder wenn Besuch da war“.
In den Niederlanden wiederum war Kaffee und auch Tee erhältlich. Außerdem kostete beides dort nur etwa ein Drittel, kurzum: „eine große Handelsspanne“. Für Rötterink eine Win-Win-Situation, „jeder hat verdient“, der Niederländer, der Schmuggler und der deutsche Endverbraucher.
Heide in Bergvennen
Unsere letzte Tagestour führt uns auf dem Grenzweg Richtung Norden, vorbei am Naturgebiet Bergvennen, das uns Remco empfohlen hatte. Die Heidelandschaft ist die Heimat des Kleinen Würfel-Dickkopffalters, ein Schmetterling, der tatsächlich so heißt, den wir allerdings nicht zu Gesicht bekommen.
Unser Ziel ist das Kloster Frenswegen, das in seiner wechselvollen Geschichte auch schon deutschen Zöllnern als Unterkunft diente. Lange Zeit war das Kloster, das der letzte Chorherr der Augustiner 1815 verließ, in einem eher traurigen Zustand, Kategorie Lost Places. Dank einer 1974 gegründeten Stiftung ist wieder Leben in das alte Gemäuer eingekehrt. Heute ist es ein ökumenischer Ort für Konzerte, Lesungen, Vorträge und Seminare.
Der Kreuzgang steht allen Besuchern offen, genauso der Innenhof, der früher nur den Chorherren vorbehalten war. Die Beine kann man sich auch in einem Labyrinth im Ostgarten vertreten. „Man braucht zehn Minuten, bis man beim Brunnen in der Mitte ankommt“, sagt Ulrich Hirndorf, Pastor und Studienleiter im Kloster. Danach bleibt immer noch Zeit für die hochgelobten Kuchen und Torten im „Café am Kloster“.
Unterkunft: Das „Papillon Country Resort“ in der Gemeinde Denekamp ist einer der beliebtesten Campingplätze in den Niederlanden und bietet von Anfang April bis Ende Oktober unter anderem Stellplätze für Zelte und Reisemobile sowie Mobilheime und Glampingzelte. Zum Ferienpark gehören ein Restaurant, ein Schwimmbad und ein kleiner See.
Informationen: VVV-Stadt- und Citymarketing Nordhorn e.V., Firnhaberstraße 17, 48529 Nordhorn,