Greven/Vechta - Der Camino Francés ist der Klassiker. Doch das Netz an Jakobswegen ist viel größer. Es durchzieht auch Deutschland. Wer hier pilgert, stößt auf ganz besondere Herbergen – und die Menschen dahinter.

Pilger-Suite, Greven (NRW):

Der Jakobsweg beginnt vor Deiner Haustür, heißt es. Für Andrea Poleratzki aus dem münsterländischen Greven stimmt das tatsächlich. Der Westfälische Jakobsweg führt eben auch durch die Grevener Bauerschaft Schmedehausen mit einem kleinen Ortskern und pittoresken Häusern.

Schräg über die Straße von Poleratzkis Herberge steht die Kirche „Zu den heiligen Schutzengeln“, daneben eine große Hinweistafel samt Jakobsmuschel und mit dem eigenwilligen Namen der Herberge: „Am Dom Gästezimmer . . . etwas anders“.

Die Zimmer dort heißen „Das Domzimmer“ und „Die Pilger-Suite“. Das Geschirrregal in der Küche war ursprünglich ein nostalgischer Reisekoffer, die Sitzbank diente früher als Kutschbock. Das Wasser sprudelt wahlweise aus einem Zapfhahn oder fließt aus einer Milchkanne.

„Jedes Teil kriegt eine zweite Chance. Der Charme alter Möbel ist einfach größer. Sie haben ihre Geschichten“, sagt Hausherrin Poleratzki, die auf Wunsch auch Frühstück anbietet. Dabei komme sie oft mit den Gästen ins Gespräch. „Bei uns ist es nicht anonym, es ist klein, familiär“, sagt sie. „Die Gäste können auch den Garten mit seinen vielen Ruheecken mitbenutzen, richtig ankommen.“

Planwagen, Neukirchen (Sachsen): Mit Pferden und Eseln auf dem Jakobsweg? „Habe ich alles schon gehabt“, sagt Bert Bochmann. Mit seinem Bruder Tilo betreibt er in Neukirchen, am Rand vom Erzgebirge, einen Biohof. Pilger können hier in einem Planwagen auf Heu übernachten. Weitere Unterkünfte sind in Planung. Pferd und Esel kommen auf der Weide nebenan unter.

Zeit, selbst zu pilgern, hatten die Brüder, deren Hof direkt am Sächsischen Jakobsweg liegt, noch nicht. Wobei, scherzt Bert: „Wir pilgern jeden Tag, bloß halt eben nur das kleine Stück des Weges.“

Bauwagen, Vechta (Niedersachsen): Als die Kinder noch jünger waren, wurde der alte Bauwagen im Garten der Familie Sander aus Vechta viel zum Spielen benutzt. Mit der Zeit aber nahm das ab und der Wagen stand nur noch herum.

Dann las Thomas Sander über den norddeutschen Jakobspilgerweg Via Baltica, der 20 Meter vor dem Haus verläuft. Kurzerhand beschloss er mit seiner Frau Daniela, den Wagen zu einer Pilgerherberge umzubauen. Aufbereitet, Bett besorgt, Tisch und Sitzgelegenheit hinein, fertig.

„Wir lassen hinten am Haus die Türen auf, damit die Pilger unser Familienbadezimmer und die Küche mitnutzen können“, sagt Sander. „Man muss ja das Vertrauern haben in den Menschen, der kommt.“

Und über die Jahre, seit 2017, sind die verschiedensten Menschen gekommen. „Durchweg liebe Leute, demütig und dankbar, wie Pilger so sind. Aus Deutschland, klar, aber auch aus Frankreich, Norwegen und so weiter. Jeder Pilger hat seinen eigenen Hintergrund“, sagt Sander. „Die letzte Pilgerin zum Beispiel ging den Weg für ein Kinderhospiz und sammelte Kilometergeld als Spenden.“

Feuerwehrauto, Bernau-Börnicke (Brandenburg): Tatütata, die Pilger sind da: So ähnlich muss es bei der Pilgerherberge im Feuerwehrauto in Bernau-Börnicke nordöstlich von Berlin zugehen. Seit 2016 besteht diese Unterkunft auf dem nördlichen Brandenburger Jakobsweg von Frankfurt (Oder) nach Bernau.

Das historische Fahrzeug des Herstellers Magirus-Deutz, 1963 erbaut, steht in passender Umgebung: am alten Feuerwehrhaus. Auch im Haus ist das – laut Veranstalter – kleinste Theater Brandenburgs. Im Spielplan finden sich Märcheninszenierungen, die mit Figuren erzählt werden, außerdem Lesungen, Kammermusik und mehr.

„Viermal im Monat wird gespielt“, sagt Theaterdirektor Ekkehard Koch, selbst passionierter Pilger. Wer also zur richtigen Zeit dort Station macht, kann nicht nur eine Übernachtung im umgebauten Feuerwehrauto, sondern auch noch Kultur im Feuerwehrhaustheater genießen.

Bootshaus, Torgau (Sachsen): Rudern und Pilgern – das passt, dachte man sich beim 1909 gegründeten Torgauer Ruderverein und hält gleich zwei Schlafalternativen für müde Pilger vor.

Einmal kann man im Saal am Bootshaus übernachten, mit Luftmatratze, Schlafsack und Möglichkeit zur Küchennutzung. 1994 wurde ein kleines Wanderruderheim errichtet, das nicht nur von Wanderruderern, sondern auch von Jakobspilgern genutzt wird.

Wer es etwas komfortabler möchte, übernachtet im „Alten Bootshaus“ auf dem Vereinsgelände, einer Gaststätte mit kleiner Pension, direkt an der Elbe.

Mini-Hütte, Soltau (Niedersachsen): „Kleinste Pilgerherberge in Deutschland“ nennt sich das „Pilgrims House“ in Soltau. Mit einem Innenmaß von 1,60 mal 1,98 Meter, also rund drei Quadratmetern, kann das gut stimmen. Hinter einem kleinen, braunen Gartenzaun liegt dieses winzige Pilgeridyll aus Fachwerk, von Grün eingerahmt. Es ist auch ein beliebtes Fotomotiv.

In Trägerschaft des Soltauer Salzmuseums wurde die Mini-Hütte im September 2019 in Betrieb genommen. Ihre Lage ist ideal: direkt an den Pilgerwegen Via Romea und Jacobusweg Lüneburger Heide sowie am Heidschnuckenweg, einem bekannten Wanderweg.