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Porträt Talentierter Skispringer mit Ballgefühl

Berne/Stenum/Wernigerode - Wer im Verein Fußball spielt, hat zumeist seine größte Leidenschaft in dieser Sportart gefunden. Nicht so bei Stefan Keil aus Berne, Spieler des Bezirksligisten VfL Stenum. „Bei mir hat das Skispringen oberste Priorität“, sagt Keil, ein Fußballer, der gleichzeitig in der Sommersaison Skispringen geht.

Wenn am Wochenende ein Springen ansteht, lässt Keil seine Fußballschuhe zu Hause. Das ist auch mit der Mannschaft so abgesprochen. „Wir wollen ihn dabei unterstützen“, sagt sein Fußballtrainer Thomas Baake, der das gelegentliche „Fremdgehen“ seines Spielers unterstützt. Deswegen verpasste der 30-Jährige bereits zwei Ligaspiele. Als Keil im Sommer von der SpVgg Berne in den Landkreis Oldenburg wechselte, hatten Baake und Keil über eine Stunde lang telefoniert. „Da habe ich schon viel über den Menschen Stefan Keil erfahren dürfen“, verrät der Stenumer Coach: „Stefan steht fest im Leben, übernimmt Verantwortung und hat Ehrgeiz.“

Neugierige Mitspieler

Über den Skispringer weiß Baake allerdings noch nicht so viel. „Stefan hat uns schon einige Fotos auf seinem Smartphone gezeigt.“ Die Stenumer quetschen ihren neuen Mitspieler ständig mit Fragen zu seiner für Norddeutsche ungewöhnliche Sportart aus. „Wenn Stefan bei einem Springen ist, berichtet er immer zeitnah bei Whatsapp“, freut sich Baake.

Um Keils ungewöhnliche Kombination aus Wintersport und Fußball zu verstehen, muss man in seine Kindheit zurückgehen. Der 30-Jährige stammt aus Wernigerode im Harz. „Als Kind war ich an allen Sportarten interessiert und in sämtlichen Schul-AGs vertreten“, fängt Keil an zu erzählen. Seine Eltern sagten dann zu ihm, dass er nicht so viele Sportarten auf einmal machen, sondern sich lieber ein Steckenpferd suchen solle, das er dann „vernünftig“ macht. Dabei stießen sie auf den Ski-Klub Wernigerode.

So fing er an, mehrmals wöchentlich das richtige Verhalten auf Skiern zu lernen. Diverse Landes- und Regionaltitel heimste er ein. Die Titelsammlung wuchs stetig – noch heute ist Keils altes Kinderzimmer voll von Pokalen und Medaillen, dazu gesellen sich ordnerweise Urkunden und alte Zeitungsberichte über ihn. 2001 sollte mit dem Wechsel auf das Gymnasium Oberwiesental, eine Eliteschule für Sportler im Erzgebirge, der nächste Schritt gewagt werden, um das Hobby auf eine professionellere Ebene zu hieven. Doch dann folgte ein schwerer Sturz mit Knieverletzung, die den Wechsel platzen ließ. „Da sind bittere Tränen geflossen“, erinnert sich Keil.

Lange im Leistungssport

Zu seinem Glück baute der Skiverband gerade eine Sportschule im Wernigeroder Umland auf, die Keil aufnahm. Dort spielte das Talent neben der Schule und den Trainingseinheiten in der Freizeit abends Fußball mit den Freunden. „Auch wenn wir eigentlich gar kein Fußball spielen sollten“, sagt Keil grinsend. „Es waren aber auch harte Jahre“, verrät er. Viel ist Keil alleine, was ihn nachhaltig prägt. In der Zeit stand Keil im erweiterten deutschen Nationalmannschaftskader und startete als 16-Jähriger mit Profis wie Martin Schmidt oder Sven Hannawald bei der DM in Hinterzarten.

Nach dem Abitur 2007 verschlug es den Skiflieger in den Norden. Er zog nach Berne und fing dort eine Berufsausbildung als Industriekaufmann an. Wieder war es ein schwerer Sturz, der ihn dazu bewog, den Traum von der Profikarriere zu begraben. Zu groß war die Belastung für die Gelenke. So kehrte er nach einem Jahrzehnt dem Leistungssport den Rücken, um in Norddeutschland beruflich Karriere zu machen.

In der südlichen Wesermarsch fasst er mit seiner damaligen Freundin, mit der er heute verheiratet ist, ganz schnell Fuß. Um sich weiter fit zu halten, ging Keil zu den Fußballern der SpVgg Berne. „Ich musste mich als Einzelsportler erst einmal mit dem Teamsport identifizieren“, erinnert sich Stefan Keil.

Rückkehr auf die Piste

Nach fast zehn Jahren Pause vom Skifliegen erreichte Stefan Keil eine Anfrage, die er nicht ablehnen konnte. In Wernigerode wurden voriges Jahr die Sprungmatten auf der Anlage erneuert. Sein Ski-Club fragte dann, ob Keil wieder einsteigen wolle. Er sagte zu – wenn auch als Sommerspringer. Und das Skisprung-Fieber war direkt wieder da.

Natürlich habe er sich dann hinterfragt, wie man Fußball und Skispringen miteinander vereinbaren könne. Sein ehemaliger Coach Michael Müller in Berne versprach ihm, dass sie ihn bei Bedarf freistellen. Seitdem nimmt Keil an etwa 13 Events im Jahr teil.

Familienglück

Ohne die Unterstützung der Familie wäre das alles nicht möglich: „Ein großer Dank geht an meine Frau“, verneigt sich der zweifache Vater vor seiner Ehegattin, mit der er im jugendlichen Alter zusammenkam und seit 2015 verheiratet ist. Nach jedem Sprung, wenn das Trainergespräch vorbei ist, geht Keil dann zu seiner Frau und den zwei Kindern.

Um die 2,64 Meter langen Skier und das andere Equipment von zu Hause zu einer Schanze zu transportieren, ist jedes Mal eine „logistische Meisterleistung“ nötig. Im Oktober wird Keil indes den Stenumern ein letztes Mal in diesem Kalenderjahr fehlen. Dann stehen die fünfte und sechste Etappe des Sommerskispringens in Winterberg und Meinerzhagen auf dem Plan. Meinerzhagen ist für ihn übrigens ein gutes Pflaster: Dort wurde Keil gerade erst bei der DM der Masters deutscher Vizemeister in seiner Altersklasse und Dritter im Mixed-Team.

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