Oldenburg/Bremen - Streben nach Erfolg statt reine Misserfolgsvermeidung – das hat sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) für den U-19-Nachwuchsbereich zum Ziel gesetzt und das Ligasystem reformiert. Statt in der A-Junioren-Bundesliga wird der deutsche U-19-Meister fortan in der DFB-Nachwuchsliga ermittelt. Für diese sind alle Vereine mit einem Nachwuchsleistungszentrum automatisch qualifiziert – und müssen fortan nicht mehr gegen einen Abstieg spielen.
Für Werder Bremen scheint die Reform zur rechten Zeit zu kommen. Die U 19 wäre als derzeit Vorletzter in der Staffel Nord im Normalfall akut abstiegsgefährdet – diese Gefahr entfällt nun durch den neuen Modus. Nicht nur deshalb sieht Thomas Wolter, sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, das neue System positiv: „Aufgrund der Abstiegsgefahr wurde in den letzten Jahren viel auf Ergebnis gespielt – dabei blieb der Ausbildungsgedanke oftmals auf der Strecke.“
Daher steht der 60-Jährige der Neuerung offen gegenüber. „Wir sind gespannt, was auf uns zukommt, da wir die Möglichkeit haben, uns mit weiteren Leistungszentren aus anderen Teilen des Landes zu messen.“ Ab der Hauptrunde wird die Meisterschaft künftig überregional ausgespielt. Im aktuellen Modus könnte Werder dagegen erst im Halbfinale auf eine Mannschaft außerhalb des Nordens treffen.
Mindestens 64 Teams sollen künftig in mehreren Spielrunden inklusive K.o.-Runde den deutschen U-19-Fußballmeister ausspielen. Gesetzt sind dabei alle 58 Vereine, die über ein Nachwuchsleistungszentrum nach DFB-Standards verfügen. Sechs Amateurclubs komplettieren im ersten Jahr das Teilnehmerfeld. Die Nachwuchsliga ersetzt die A-Junioren-Bundesliga, in der es drei regionale Staffeln mit je 14 Teams gibt, aus denen lediglich die Staffelsieger und ein Zweitplatzierter in einer kurzen Endrunde den deutschen Meister ausspielen durften. Gab es in den jeweiligen Staffeln in der Regel drei Absteiger, ist dies mit der Einführung der DFB-Nachwuchsliga für die Profivereine nicht mehr möglich.
In einer Vorrunde werden nach regionalen Gesichtspunkten Gruppen mit bis zu acht Teams gebildet, die je zweimal aufeinandertreffen. Die Erst- und Zweitplatzierten und die besten Gruppendritten qualifizieren sich für Liga A der Hauptrunde – insgesamt 24 Teams, die dann auf vier Sechsergruppen verteilt werden. Nach zehn Spieltagen ziehen die vier besten Mannschaften der Gruppen ins Achtelfinale ein. Von da an wird der deutsche Meister im K.o.-Modus – jeweils ohne Rückspiele – ausgespielt. „Das neue Modell betont das natürliche Streben nach Erfolg und Siegen. Die reine Misserfolgsvermeidung soll dagegen in den Hintergrund rücken, da diese die Entwicklung von Spielern bremst, statt fördert“, heißt es seitens des DFB.
Spielern Freiräume geben
„Die individuelle Entwicklung hat gegenüber Mannschaftstaktiken künftig Vorrang“, schreibt der DFB. Eine Einstellung, die Wolter gutheißt. „Natürlich gehört es auch zur Ausbildung, taktisches Verhalten zu lernen“, so der gebürtige Hamburger, „aber wir wollen uns dabei mehr auf uns und die individuelle Entwicklung konzentrieren.“ Wolter habe die Hoffnung, künftig weniger taktisch geprägte Spiele zu sehen, sondern mehr „guten Fußball“. Dafür müsse man Spielern auch Freiräume geben. „Es darf auf dem Platz auch mal etwas schiefgehen und daraus müssen sie lernen“, betont Wolter.
Eine kleine, aber bedeutende Veränderung, sei auch die neue Ligabezeichnung. „Der Begriff ,A-Junioren-Bundesliga’ hat bei den Jungs einiges verklärt. Viele sahen sich schon als künftige Bundesligaspieler und waren hinterher überrascht, wenn sie nur Angebote von Regionalligisten bekommen haben“, schildert der sportliche Leiter.
Vorbild England?
Der VfB Oldenburg wird die neue Nachwuchsliga vorerst wohl nur als Außenstehender beobachten. Der VfB verfügt über kein DFB-Nachwuchsleistungszentrum, ist daher nicht automatisch qualifiziert. Eine sportliche Qualifikation scheint derzeit unwahrscheinlich. Unabhängig davon findet U-19-Trainer Tim Körner den neuen Modus sinnvoll: „Er gibt den Profivereinen Planungssicherheit, ihre Junioren auf dem höchsten Niveau in den Wettkampf schicken zu können.“ Das Argument einiger Kritiker, durch die fehlende Abstiegsgefahr würden Spieler nicht auf Drucksituationen vorbereitet, kontert Körner mit einem Blick nach England. „Da spielen die Kategorie-Eins-Akademien in ihrer eigenen Liga ohne Abstieg. Dort ist die Nachwuchsförderung sehr erfolgreich“, sagt Körner. Der Trainer geht davon aus, dass die Teams mehr ihren eigenen Matchplan verfolgen und ihr Spiel offen gestalten werden.
Aufstiege zu früh
Eine Besonderheit des neuen Systems sieht Körner allerdings kritisch. Vereine aus den zweitklassigen Regionalligen haben die Chance, schon während der Saison aufzusteigen und sich für die Liga B der Hauptrunde der Nachwuchsliga zu qualifizieren. Dort können sie sich den Klassenerhalt für die Folgesaison sichern, indem sie einen der ersten vier Gruppenplätze erreichen. Körner: „Da die Aufsteiger aus den unteren Ligen schon im Winter ermittelt werden, steigt der Wille, möglichst schnell erfolgreich zu sein und damit der Ergebnisdruck.“ Dem Argument, man wolle einen starken Jahrgang mit dem Aufstieg belohnen, entgegnet er: „Die Vereine, die in der Regionalliga vorne mitmischen, tun das schon lange, nicht nur über einen Jahrgang. Die entwickeln sich stetig“, sagt der 30-Jährige. Man solle den Modus erstmal ausprobieren, aber seitens des DFB auch bereit sein, „Anpassungen vorzunehmen“.