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Jugendkultur Flugstunden auf zweimal 20 Zoll

OLDENBURG - Ein iPod, etwas Erfrischendes zu trinken und Babypuder – das ist die Grundausrüstung, die ein BMX-Fahrer immer dabei hat. Und dann wäre da noch sein Heiligtum: das Bike. Denn das Fahrrad eines BMX-Sportlers ist nicht nur ein Fahrrad, es ist Leidenschaft und Ausdruck eines Lebensgefühls. „BMX ist kein Sport, es ist ein Lebensstil. Man kleidet sich wie ein BMX’ler, redet wie einer und verhält sich auch so“, sagt Dominik-Pascal Betten.

Gerade hat er seine Handflächen gepudert. Jetzt wird sein Blick wieder starr, er konzentriert sich. Gleich wird er mit seinem schwarzen Bike durch die Luft fliegen. Er nennt das Tailwhip, denn er redet wie ein BMX’ler.

Dominik-Pascal ist fünfzehn Jahre alt und wohnt in Sandkrug. Seine Leidenschaft ist BMX-Fahren und damit ist er nicht allein. Mit bis zu zwanzig Gleichgesinnten trifft er sich regelmäßig zum freien Training in Oldenburg. Alles, was dann eine Rolle spielt, hat einen klangvollen Namen.

Surfer der Straße

Die Tricks heißen Barspin, Nofoot, Suecide, Backflip, Wallride oder Cashroll. Ihre Tricks, wagemutige Stunts, vollführen sie am liebsten zu schneller Musik, die Musikstile haben Namen wie Dubstep oder Drum’n’Bass.

BMX’ler sind die Draufgänger unter den Radsportlern, sie sind die Surfer der Straße. Einen BMX-Fahrer erkennt man an seinen Blessuren, an Schürfwunden an den Ellenbogen. Auch ein Bänderriss oder ein gesplittertes Fußgelenk sind keine Seltenheit.

Dominik-Pascal und seine Freunde fahren im Verein Backyard Oldenburg, hier fahren Skater, Inliner und BMX’ler. Weil der Verein Mitglied im Landessportbund ist, sind die Fahrer alle unfallversichert. Zentrum ihrer Leidenschaft ist die Skaterhalle hinter dem Parkhaus der Post, oben an den Bahngleisen.

Dominik-Pascal steht auf dem Podest der ersten Rampe in der langen Halle. Er schaut auf eine hügelige Landschaft aus verschiedenen Hindernissen, Rampen und Sprungschanzen. Hier oben auf der Rampe versammeln sie sich, und nur hier sieht man den ein oder anderen Fahrer auch mal auf dem Sattel seines Bikes sitzen. Wenn sie sitzen, ruhen sie sich aus. Im Sitzen fahren kann man mit einem BMX schwerlich, der Sattel befindet sich nur wenige Zentimeter über dem 20-Zoll-Hinterrad. So eng muss seine Beine erst mal anwinkeln können, wer im Sitzen BMX fahren will. Ein BMX ist kein Fortbewegungsmittel.

Hier oben aber hockt manch ein BMX’ler auf seinem Bike, die Füße am Boden. Die Unterarme liegen lässig auf dem Lenker. Es läuft tanzbare Musik, immer wieder stürzt sich ein Fahrer in die Tiefen der Rampe hinab. Dabei flattern ihre weiten, bunten T-Shirts im Fahrtwind. Denn so kleiden sie sich, die BMX’ler: Sie tragen meist enge Hosen, dazu weite Shirts. Sie legen Wert auf ihren Stil, auch auf den Stil ihrer Räder. Einer der Fahrer, er kann nicht älter als vierzehn Jahre alt sein, trägt ein lilafarbenes Shirt, passend zum lilafarbenen Metallicglanz der Felgen.

Die Felgen von Dominik-Pascals Bike glänzen in rot-metallic, der Rahmen ist schwarz, der Lenker Chromfarben. Der 15-Jährige steckt seine Ersparnisse und das, was er bei Ferienjobs verdient, in sein Rad. Er hat es aus hochwertigen Teilen zusammengesetzt. Das einzige, worauf er verzichtet hat, ist eine Bremse. Den Wert des Bikes schätzt Dominik-Pascal auf über tausend Euro.

Sein Blick  durchbohrt starr die Ferne, seine babygepuderten Hände schließen sich fest um die Griffe am breiten Lenker. Dann tritt er in die Pedale. Mit Schwung rast er die Rampe hinunter und auf der anderen Seite wieder hoch. Da, wo die Rampe zu Ende ist, schießt Dominik-Pascal mit seinem Rad mehrere Meter in die Luft – fast bis unters Hallendach. Dort trennen sich die Wege: Den Lenker des Bikes hat er noch in der Hand, aber der gesamte Rahmen dreht sich mit Schwung um 360 Grad. Dominik-Pascal fängt ihn mit den Füßen wieder ein und schießt auch schon die zweite Rampe hinunter, dann wieder hinauf. Er fliegt wieder durch die Luft. Diesmal lässt er den Lenker los, dreht ihn um 360 Grad und bekommt ihn in der Luft wieder zu fassen. Irgendwann ist die Bahn zu Ende, Dominik-Pascal springt mit dem Rad meterhoch mit beiden Reifen gegen die Wand, prallt davon ab und landet wieder auf der Bahn. Wallride heißt diese spektakuläre Wendung.

Ein paar respekteinflößende Sprünge später kommt der BMX’ler wieder am Anfang der Bahn an und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Jemandem, der so etwas noch nicht gesehen hat, stockt der Atem. Aber es ist niemand da, dem der Atem stockt, stattdessen sitzen ein paar hübsche Mädels auf der Bank. Sie genießen die Musik, die Luft, die nach Abenteuer, Schweiß und heißem Gummi riecht und sie fiebern mit, wenn ihre Freunde neue Tricks ausprobieren.

„Wenn man einen Trick steht, das ist ’n Hammergefühl“, sagt Dominik-Pascal. Was er damit meint, ist: Wenn man einen Trick geschafft hat, ist das ein überwältigendes Gefühl. „Es ist, als ob man fliegt. Man wächst über sich hinaus und freut sich einfach nur noch.“ Bevor man einen Trick „steht“, wie es in der Sprache der BMX’ler heißt, muss man erst mal den Mut aufbringen, ihn zu versuchen – und das immer und immer wieder. Es ist das Risiko, das bei den Fahrern das Adrenalin durch die Adern schießen lässt, wenn sie zu einem Trick ansetzen.

Die Liebe zum BMX ist für die Sportler ein Ausdruck von Lebensfreude. „BMX-Fahrer sind immer gut drauf, sind lässig. Es geht einfach nur darum, das Leben zu genießen, das ist die Hauptsache“, sagt Dominik-Pascal, schaltet seinen iPod wieder ein, um kurz darauf wieder mit seinem Bike zu verschmelzen. Es ist, als wäre das Rad ein Körperteil von ihm. Und gewissermaßen ist das BMX tatsächlich ein Teil von ihm.

„Mein Bike bedeutet mir alles. Ich wüsste nicht, was ich ohne es machen sollte. BMX hat mein Leben verändert.“ Der Sport hat den 15-Jährigen auf dem Weg von der Kindheit ins Jugendalter begleitet.

Sein Bike bedeutet ihm sogar so viel, dass er es behandelt wie ein geliebtes Haustier. Am Abend nimmt er es mit hoch in sein Zimmer, es steht dann gegenüber von seinem Bett.

„Stabil wie ein Panzer“

Sauber ist es ohnehin, denn der stolze Besitzer vermeidet es tunlichst, mit dem Rad durch den Regen zu fahren. „Nicht nur, dass dann alles nass ist, es tut dem BMX auch nicht gut“, sagt er über den Regen. Waghalsige Sprünge dagegen schaden dem Bike nicht, dafür ist es gemacht. „Es ist stabil wie ein Panzer.“

Einmal hat Dominik-Pascal das Rad beim Einkaufen mit in einen Laden genommen. Er hatte das Schloss vergessen, mit dem er seinen kostbaren Schatz vor Dieben schützt.

Also nahm er das Rad kurzerhand mit. In Innenräumen schiebt er das BMX nicht wie ein normales Fahrrad. Er stellt es aufs Hinterrad und schiebt es lässig neben sich her, das Vorderrad dreht sich in der Luft. Das allein ist schon ein Blickfang. Das merkt auch Dominik-Pascal: „Man muss sich doch wundern, was die Leute manchmal für ein Gesicht machen.“

BMX

steht für Bicycle Motor Cross.

Typisch

für BMX-Räder sind 20-Zoll-Felgen, ein hoher, breiter Lenker und ein sehr stabiler Rahmen.

Entstanden

ist das BMX-Fahren, als sich Kinder und Jugendliche mit ihren Fahrrädern abseits der Straßen Rennen lieferten.

Vorbild

waren Crossfahrer mit Motorrädern.

Die erste Bahn

speziell für BMX-Fahrer wurde in Kalifornien Anfang der 1970er Jahre erbaut.

Die BMX-Anlagen

werden ständig weiterentwickelt. Es gibt aber nicht mehr so viele Bahnen wie noch in den 1980er Jahren.
Sandra Binkenstein
Sandra Binkenstein Thementeam Soziales
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