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Laufen Wie Oldenburger für einen Alpenlauf trainieren

Oldenburg - Das Herz pocht kräftig, die Lunge keucht. Die ersten Höhenmeter sind geschafft. Im Laufschritt erklimmen die Sportler nach der Treppe auch den schmalen, steilen Pfad hoch zum Osternburger Utkiek, auf 28 Meter über den Meeresspiegel. Für nordwestdeutsche Verhältnisse fast schon ein richtiger Berg. Die Arme schwingen seitlich am Körper. Die Füße stemmen sich in den Boden und drücken sich ab. Die ersten Schweißtropfen fliegen auf den mit Steinen bedeckten Sandboden.

„So steile Anstiege legt man eigentlich besser gehend zurück“, erklärt Manfred Siebert-Diering und betont: „Man ist dabei nicht langsamer, spart aber viel Kraft.“ Er macht es vor, lässt die Arme sinken, stoppt den Laufschritt und geht entspannter, aber mit langen Schritten neben mir her. Jetzt schon eine Gehpause kommt nicht infrage, denke ich, und jogge weiter. Wir sind schließlich nicht schnell unterwegs, etwa 6 Minuten pro Kilometer. Wir haben zwar noch einige Kilometer vor uns, aber das werde ich ja wohl ganz locker durchlaufen können, denke ich. Ich sollte mich irren.

Verrückt, aber sinnvoll

18 Teilnehmer sind beim „Utkiek-Marathon“ an den Start gegangen. Organisiert wurde dieser nicht-öffentliche Lauf von Siebert-Diering vom Team Laufrausch. Zusammen mit Jörg Heinrichs, Philipp Arndt und Jens Pfaff will der Oldenburger am „Transalpine Run 2“ teilnehmen, bei dem es in zwei Etappen insgesamt 71,7 Kilometer durch die Alpen geht. Natürlich mit vielen Höhenmetern und ordentlichen Anstiegen. Am ersten Tag müssen sie etwa 43 Kilometer absolvieren. Um sich darauf vorzubereiten, wollen Siebert-Diering, Pfaff und Arndt einen Marathon am Utkiek laufen, genauer gesagt 43,2 Kilometer. Heinrichs ist nicht ganz fit und plant 25 Kilometer.

Zwölf Runden mit jeweils etwa 3,6 Kilometern und 70 Höhenmetern. Klingt verrückt, ist aber sinnvoll, betont Siebert-Diering: „Wir müssen irgendwie die Anstiege trainieren.“ Das geht in Oldenburg fast nur am Utkiek. Und auch dort sammelt das Trio auf den geplanten gut 43 Kilometern „nur“ 800 Höhenmeter. Am ersten Tag in den Alpen steht ihnen das Dreifache bevor – nur die Anstiege berechnet, runter geht’s natürlich auch immer wieder.

Wir laufen bergab in Richtung Bunker, da zeigt Siebert-Diering plötzlich nach rechts oben. „Da geht’s lang“, sagt er und deutet auf einen steilen Graspfad, der bis zu den Schaukeln ganz oben auf der südlichsten der drei Erhebungen führt. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich laufe öfter am Utkiek, aber diesen enorm steilen Weg fast nie. Na gut, denke ich, in den Alpen werden die vier noch viel anspruchsvollere Wege zu meistern haben.

Besser nicht allein

Den „Transalpine Run 2“ müssen die Teilnehmer zu zweit absolvieren, schließlich kann in den Alpen viel passieren. Da ist es besser, nicht alleine zu sein. Und damit auch der Trainingslauf nicht so einsam und langweilig wird, hat Siebert-Diering einige weitere Läufer eingeladen. Die meisten wollen einen Halbmarathon mitlaufen – wie ich auch –, einigen reichen auch schon drei Runden. „Klasse, dass so viele gekommen sind“, freut sich Siebert-Diering und nimmt einen Schluck aus dem dünnen Kunststoffrohr, das durch einen Schlauch mit seinem Trinkrucksack verbunden ist.

Die drei Marathonis sind gut ausgerüstet: Über ihren dünnen, kurzen Laufhosen und Leibchen tragen sie alle ihren Trinkrucksack. Auch Lampen haben sie mitgebracht, schließlich werden sie etwa fünf Stunden, also bis 23 Uhr unterwegs sein und der Utkiek ist nicht beleuchtet. „Ich habe auch mein Erste-Hilfe-Set im Rucksack“, sagt Siebert-Diering. Das ist Pflicht beim Transalpine. Genauso wie: ein Handy mit GPS, eine Karte der Strecke sowie Bekleidung, um den ganzen Körper zu bedecken. „In den Alpen kann es sehr schnell sehr kalt werden und heftigen Niederschlag geben“, erklärt Siebert-Diering.

Bei Sonnenschein und dem ersten kühlen Wind seit Wochen biegt der Oldenburger in der dritten Runde auf den fünften steilen Anstieg des Tages – den mit der Treppe und dem anschließenden sandigen Pfad hinauf zur nördlichen Erhebung. Er wechselt wieder vom Laufschritt ins Gehen – diesmal tue ich es ihm gleich. Wir haben schon 50 Minuten auf der Uhr, und es ist noch ganz schön weit – lieber doch mal etwas Kraft sparen, denke ich.

Wenn es nicht gerade bergauf geht, ist das Tempo aber angenehm – es bleibt genug Luft zum Quatschen. Geredet wird über unterschiedliche Themen: Das Konzert am vergangenen Wochenende, besondere Wettkämpfe, sportliche Erlebnisse aus dem eigenen Lebenslauf wie den „Marathon des Sables“ mitten durch die Wüste, den Siebert-Diering 2015 mit seinem langjährigen Laufpartner Michael Groth absolviert hat, und Dokumentationen über Ultraläufer auf Netflix, die fünf Marathons über Stock und Stein in 60 Stunden oder den „Appalachian Trail“ in den USA mit 3500 Kilometern alleine in 46 Tagen schaffen. Über was man bei einem Marathon eben so spricht.

Trinken statt essen

Nach der dritten Runde steigen die ersten Begleiter aus, die meisten laufen aber schnurstracks auf Runde vier.

Schon zum fünften Mal findet der Utkiek-Marathon statt, erwähnt Siebert-Diering beiläufig, als wir zum vierten Mal den steilen Anstieg in Richtung Schaukeln in Angriff nehmen – und diesmal alle wie selbstverständlich ins kraftsparende Gehen übergehen. „Im Eversten Holz gibt es übrigens auch einen Marathon“, erzählt er. Dort ist die Runde ziemlich genau zwei Kilometer lang – es sind also 21 Runden zu absolvieren. Auch das klingt ziemlich verrückt.

Nach der vierten Runde halten wir kurz am Parkplatz, um etwas zu trinken. Die meisten trinken Wasser, einige haben isotonische Getränke mit Kohlenhydraten dabei. Arndt beißt in eine Zitronenscheibe. Ob das was bringt? „Es erfrischt auf jeden Fall“, sagt er. Essen brauchen die Marathonläufer nichts, betonen sie. Trinken reicht.

„Wann laufen wir morgen los?“, fragt Siebert-Diering auf einmal in die Runde. Was? Morgen wieder laufen? „Beim Transalpine müssen wir ja nach den 43 Kilometern am ersten Tag auch am zweiten noch fast 30 Kilometer laufen. Wir machen morgen deshalb noch einen 30er“, sagt Siebert-Diering, als sei das das Selbstverständlichste auf der Welt. Den Lauf wollen sie an der Huntebrücke machen – neben dem Utkiek eigentlich die einzige Gelegenheit in Oldenburg, um Anstiege zu trainieren.

Der Geist ist willig...

In der fünften Runde merke ich langsam, wie meine Beine nicht mehr so geschmeidig funktionieren, gerade bergab wird mein Laufschritt staksig, mein unterer Rücken macht sich genauso bemerkbar wie meine Beine. Die Muskeln sind langsam „dicht“ – trotz des eigentlich gemächlichen Tempos. Als wir nach knapp zwei Stunden Laufzeit auf die sechste Runde gehen, freue ich mich, dass es meine letzte ist.

Zwei Etappen des Transalpine-Marathons mit 71,7 Kilometern und 8223 Höhenmetern

Vier Oldenburger wollen am 2. September beim Transalpine Run starten. Jedoch nicht beim vollen, der in sieben Etappen über 255 Kilometer und fast 33 000 Höhenmeter (16 398 Aufstieg/ 16 523 Abstieg) von Garmisch-Partenkirchen in Bayern nach Brixen in Südtirol führt. In diesem Jahr gibt es erstmals einen verkürzten Lauf, bei dem nur die ersten zwei Etappen zurückgelegt werden. Dennoch warten auf Manfred Siebert-Diering, Jörg Heinrichs, Jens Pfaff und Philipp Arndt zwei anspruchsvolle Tage: Die erste Etappe nach Naassereith ist 43,6 Kilometer lang und hat 4798 Höhenmeter (2470/2328). Am nächsten Tag geht es weiter nach Imst über 28,1 Kilometer mit 3425 Höhenmetern (1734/1600).

Beim Transalpine Run treten die Starter in Zweier-Teams an. Während des Laufs müssen die Duos zusammenbleiben, sonst erfolgt die Disqualifikation. Pflicht ist zudem die Ausrüstung: Ein Handy mit GPS, eine Lampe und Kleidung für den kompletten Körper müssen mitgeführt werden.

„Mir geht’s gut“, antwortet Siebert-Diering auf meine Frage, ob er denn schon etwas merkt. Auch Arndt und Pfaff machen den Eindruck, als seien sie gerade erst losgelaufen. „Alles noch super“, betonen sie. Sie freuen sich aber alle darüber, dass sie für ihren Trainingsmarathon den ersten Tag seit Langem erwischt haben, an dem die Temperatur um 20 Uhr klar unter 30 Grad liegt.

Nach 2:19 Stunden beende ich mit Ismet Tolan und Rupert Porada den Lauf, während Siebert-Diering, Pfaff, Arndt und auch Heinrichs auf die siebte Runde abbiegen. Tatsächlich würde ich auch gern weiterlaufen. Der Geist ist willig, aber das Fleisch – besser gesagt die Muskeln – nicht mehr fit genug.

Heinrichs hört nach Runde sieben und 25,2 Kilometern in 2:52 Stunden auf. Siebert-Diering, Pfaff und Arndt schaffen die 43,2 Kilometer in 4:52:50 Stunden. „Das hat echt Spaß gemacht“, meint Siebert-Diering: „Und Zeit und Strecke vergehen bei netter Begleitung wie im Flug.“

Am nächsten Abend absolvieren die drei einen 25-Kilometer-Trainingslauf – und erklimmen dabei insgesamt 17- mal eine der beiden Treppen unter der Huntebrücke.

Völlig verrückt, denke ich, während ich mich mit meinem Muskelkater die fünf Stockwerke aus meinem Büro runterquäle. Und doch wäre ich nur zu gerne mitgelaufen.

Mathias Freese
Mathias Freese Sportredaktion
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