Hude - „Die lassen mich nicht raus. Keine Chance. Dafür gewinne ich einfach zu viele Preise.“ Ein paar davon – goldglänzende Amulette – liegen vor der 70-Jährigen auf dem Couchtisch. „Der Rest ist im Keller. In einer Plastiktüte“, sagt sie. In greifbarer Nähe bewahrt die Huderin nur Trophäen, auf denen „Deutscher Meister“ steht, auf. Vier sind es mittlerweile.
Ruhige Kugeln
Marianne Lübbering kegelt nämlich alle um, wenn sie als Einzelkämpferin oder Teamplayerin an den Start geht. Auch Sportlerinnen, die halb so alt sind. Darum lässt ihr Delmenhorster Verein Blau-Weiß die Huderin auch nicht in die zweite Mannschaft wechseln. 1996 ist sie zu den Spielern in der Nachbarstadt gewechselt. Vorher hat sie eher ruhigere Kugeln beim Paarkegeln mit dem Ehemann im Klosterort geschoben und wurde dann Mitglied beim Kegelsportclub Hude. Der konnte ihren Erfolgshunger aber nicht stillen. Sie wollte aufsteigen, in höhere Ligen, aufs Siegertreppchen.
Tatsächlich ging es steil bergauf mit der Sportlerkarriere. Der zweiten. Denn eigentlich schlägt Marianne Lübberings guttrainiertes Herz für Fußball: Nach ihrem Einsatz als Mittelfeldspielerin beim FC Hude hat sie 33 Jahre lang dort Jugendmannschaften gecoacht. Ihre große Liebe ist ihr als junges Mädchen auf dem Spielfeld in Donnerschwee begegnet: Im Schneetreiben feuerte sie ihren zukünftigen Mann Hartmut an, der für den VfB-Oldenburg Tore schoss.
Nachdem die beiden geheiratet und zwei Töchter bekommen haben, blieb die ganze Familie am Ball. Mittlerweile wird der Anpfiff nur noch vom Sofa aus verfolgt. Leidenschaftlich. Nur beim ersten WM-Spiel der Deutschen sind Lübbering die Augen zugefallen. Da kam sie nämlich gerade von den Deutschen Kegelmeisterschaften in Delmenhorst nach Hause. Mit der Goldmedaille für den Einzelsieg. Gefeiert wurde sie vor allem von der Presse, die die Huderin längst als Titelfavoritin publiziert.
Gezielte Würfe
Marianne Lübbering selbst lässt nach ihren Triumphen keine Korken knallen: „Ich lass’ die Glückwünsche über mich ergehen“, sagt sie. Nur damals, als sie mit 66 zum zweiten Mal mit der deutschen Nationalmannschaft in Kopenhagen an den Start gehen durfte – als eine von sieben Sportlerinnen aus 70 – da war sie doch ein bisschen stolz. „Ich hab’ immer den Jürgens-Schlager gesungen: Mit 66 Jahren...“
Überhaupt: Dass die Rentnerin es einmal so weit bringen würde, hätte sie nie gedacht. „Sport war immer mein Ding. Als Kind konnte ich schnell laufen und weit springen. Das Fußballfeld war Teil meines Lebens. Das mit dem Kegeln ging ja erst los, als ich schon 40 war“, sagt sie. Ehrgeizig sei sie immer gewesen. „Das Verbissene ist weniger geworden.“ Dank gereifter Gelassenheit und jahrelangem Training ist 2014 auch ihr – bislang – erfolgreichstes Jahr gewesen. Trotzdem macht Übung die Deutsche Meisterin: „120 Wurf trainiere ich pro Woche, früher waren es 500. Aber mehr halten meine Knochen jetzt nicht aus“, sagt die 70-Jährige.
Sichere Treffer
Jetzt ist Sommerpause. Bis August. Gelenk- und nervenschonend kümmert sich Marianne Lübbering dann um den Garten, unternimmt Radtouren, boult mit Mann Hartmut und leistet der Löw-Elf mentalen Beistand: Für den Vize-Titel. Weltmeister, tippt die Fußballerin, wird Brasilien – „wenn sie sich steigern“. An „Zauberkram und Glücksbringer“ glaubt die Kegelmeisterin nicht: „Eine Zeit lang habe ich immer dieses eine Paar Socken getragen. Aber die sind jetzt verschlissen“, sagt sie.
Nötig hat die 70-Jährige derlei Hilfen eh nicht. „Ich kann heute ganz befreit aufkegeln. Ich hab mehr erreicht, als ich je erträumt hätte. Was kommt, kommt. Alles andere ist Zugabe“, sagt Marianne Lübbering. Und lächelt. Gewinnend. Und diplomatisch – gehen lässt sie ja eh keiner mehr.