Berlin Millionen von Menschen leiden am Reizdarmsyndrom. Wie die Stiftung Warentest jetzt zeigt, können einige rezeptfreie Mittel helfen, ebenso auch die Art der Ernährung und psychologische Hilfen.
Immer wieder Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Bauchkrämpfe – die Beschwerden bei einem chronischen Reizdarmsyndrom können enorm quälend sein. Welche Symptome dominieren und wie häufig und wie stark sie auftreten, ist individuell verschieden. Und: Sie lassen sich nicht auf eine andere Ursache zurückführen.
Reale Erkrankung
Schätzungsweise zehn Prozent der Menschen weltweit leiden am Reizdarmsyndrom. Warum es entsteht, ist noch nicht abschließend erforscht. Bakterien scheinen eine Rolle zu spielen. So zeigen Studien, dass manche Betroffene in der Vergangenheit Darminfekte hatten. Als sicher gilt: Reizdarm ist keine Befindlichkeitsstörung, sondern eine reale Erkrankung, oft mit hohem Leidensdruck.
Schwierige Diagnose
Auch der Weg zur Diagnose kann enorm belasten. Viele Patienten erleben eine regelrechte Ärzte-Odyssee. Teilweise vergehen laut eines Berichts der Barmer-Krankenkasse bis zu acht Jahre, bis Betroffene eine korrekte Diagnose erhalten. Doch diese Situation ließe sich verbessern, sagt Professor Joachim Labenz, Gastroenterologe und Direktor der Inneren Medizin am Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen. Erforderlich sei eine Vernetzung bei der Reizdarm-Diagnostik und -Therapie. Am besten wäre ein multiprofessionelles Team, das ärztliche Versorgung, Ernährungsberatung und psychologische Betreuung vereint, so Labenz.
13 Mittel wenig geeignet
Die Stiftung Warentest hat 19 Mittel getestet, die gegen das Reizdarm-Beschwerdebild insgesamt helfen sollen – darunter Präparate mit Bakterien, Heilerde, Guar, Pfefferminzöl oder Kombimittel mit mehreren Inhaltsstoffen. Für die Untersuchung sichteten Gutachter die Studien zu Wirksamkeit und Risiken. Bei 13 Mitteln lautet das Fazit: wenig geeignet. Etwa für Iberogast, Symbioflor 2, Kijimea Reizdarm. Für drei Mittel im Test mit lebenden Bakterien – Probiotika – fehlen ausreichende Wirksamkeitsbelege.
Weitere Studien nötig
Am ehesten zu empfehlen sind sechs Präparate. Für sie lautet die Bewertung: mit Einschränkung geeignet. Dazu gehört beispielsweise Kijimea Reizdarm Pro. Die Kapseln enthalten hitzeinaktivierte Bakterien, die sich laut Hersteller schützend an geschädigte Stellen der Darmwand heften sollen. Das Mittel mit dem Pro im Namen ist eines der besser bewerteten. Die fünf anderen Präparate mit Pfefferminzöl oder Butylscopolamin wirken krampflösend und scheinen Reizdarmsymptome insgesamt zu lindern. Weitere Studien sollten ihre Wirksamkeit, etwa zu den langfristigen Effekten, noch besser belegen.
Symptome lindern
Neben den aktuell getesteten Mitteln stehen weitere zur Wahl, darunter rezeptfreie und rezeptpflichtige, die gezielt gegen einzelne Reizdarm-Symptome wie Durchfall, Verstopfung, Blähungen helfen. Das sind beispielsweise Flohsamenschalen gegen Verstopfung und Durchfall sowie Loperamid gegen Durchfall. Die Wirkung von Dimeticon oder Simeticon bei Blähungen sollte noch besser belegt werden, erklärt Stiftung Warentest.
Ernährung analysieren
Ergänzend oder alternativ zu Medikamenten können weitere Maßnahmen bei Reizdarm helfen. Oft spielt die Ernährung eine Schlüsselrolle, weil bestimmte Lebensmittel den Darm individuell stark reizen und typische Beschwerden auslösen können. Es lohnt sich, beispielsweise mit einem Ernährungstagebuch entsprechende „persönliche Reizstoffe“ zu finden und versuchsweise wegzulassen, und dazu eine Ernährungsberatung zu nutzen.
Psychologische Hilfe
Zudem sind Darm und Hirn eng über Nervenbahnen verbunden – was erklärt, warum sich der Darm teilweise „vom Kopf her“ durch gezielte psychologische Hilfen beruhigen lässt. Hilfreich können auch Kurse in Stressmanagement oder Entspannungsverfahren sein. Krankenkassen erstatten zertifizierte Angebote zumindest anteilig.
Individuelle Therapie
Oft müssen Betroffene etwas herumprobieren, um aus den Bausteinen Medikamente, Ernährung und psychologische Hilfen individuell die beste Behandlung zu finden. Aber die Mühe lohnt. Viele lernen, mit ihren Beschwerden zu leben und sie zu mindern; bei einigen bilden sie sich ganz zurück.