Berne Eine lange Stille tiefer Betroffenheit, dann erlösender Jubel: Das waren die Reaktionen des Publikums, das sich in der Mensa des Schulzentrums Berne zur öffentlichen Premiere des Bücherwochen-Buches „Flucht aus Afrika“ zahlreich eingefunden hatte. Das von Alfred Büngen (Geest-Verlag) herausgegebene Buch dokumentiert auf 160 Seiten, wie Jugendliche der damals neunten Klassen der Oberschule Berne fiktive Fluchtbiografien aus Schwarzafrika nacherlebt haben.
Zugrunde lag ein im Frühjahr durchgeführtes Schreibprojekt, das interessierten Schülern zur freiwilligen Teilnahme angeboten wurde. Drei Schultage lang konnten sie sich unter Büngens Leitung in der Kulturmühle mit der Thematik beschäftigen, sie diskutieren und die Ergebnisse – Berichte, Briefe, Tagebucheinträge – niederschreiben. Mehr als 20 nahmen teil.
Zunächst hatten sie eine aus 16 angebotenen Rollen – beispielsweise Alima (15) aus dem Kongo, Hana (15) aus Äthiopien, oder Arif (17) aus Kenia – für sich zu wählen. Deren Situation zu Haus, auf der Flucht und nach der Ankunft in Europa hatten sie dann alleine oder in Schreibgruppen nachzuvollziehen und schriftlich festzuhalten.
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Schon die im Buch abgedruckten Texte, die dabei entstanden, lassen einem den Atem stocken, denn sie lassen nichts aus: Sterben auf der Flucht, Trennung von Vater und Mutter, Lager, Zwangsarbeit, Prostitution, Selbstmord.
Für die in der Mensa aufgeführte szenische Lesung ihrer Texte hatten sich die Schülerautoren eine spezielle Choreographie und Dramaturgie ausgedacht: Die Stühle waren im Rund um eine Bühne angeordnet, auf der ab und an ein Erzähler geografische oder geschichtliche Zusammenhänge erläuterte. Die einzelnen „Helden“ waren über die Mensa verteilt, wenn die Reihe an ihm war, erhob sich der jeweilige „Schauspieler“ und las seinen Text.
Zwischendurch bezog ein „Einpeitscher“ das Publikum ein: „Wer hier hat Kinder? Aufstehen! Ab morgen habt ihr keine mehr, Boko Haram holt sie weg!“ oder „Alle Evangelischen stehen jetzt auf! So! Ab sofort dürft ihr nicht mehr arbeiten gehen!“
Da ist das Mädchen, das sich verkauft, um die Flucht zu finanzieren, schließlich nicht mehr weiter weiß und sich umbringt; dort der Junge, der es irgendwie nach Europa geschafft hat und jetzt spürt, dass er hier nicht gewollt wird. Die Texte wurden von ihren Autoren in aller Intensität vorgetragen: Liebes-, Abschieds-, Hoffnungsbriefe an die Daheimgebliebenen, Hilferufe, Aufrufe dazu, mitzufühlen, Texte voll von Verbitterung und Schmerz, intensiv, ernsthaft und emotional aufwühlend für alle Anwesenden.
Schulleiter Sönke Ehmen, Lehrerin Kirstin Gloystein, Bücherwochen-Organisator Reinhard Rakow und Alfred Büngen hatten eingangs den Wert des Schreibprojekts und die Leistung der Schüler gewürdigt. Auf Gloysteins Frage, was für ihn denn das Wichtigste an dem Projekt gewesen wäre, antwortete einer von ihnen: „Ich habe Dinge gelernt, über die ich mir vorher nie Gedanken gemacht habe.“
Diese Schüler haben sich an dem spannenden Buchprojekt beteiligt: Hevi Ahmed, Jakob Blanke, Lea Christoffers, Lars Conze-Wichmann, Neele Damerow, Jonny Döhler, Paul Finke, Alexandra Firsov, Pascal Helmke, Erik Hoffmann, Mirco Jasper, Fatir Sheikh Kaleem, Patrick Knutzen, Angelique Krieger, Leonie Kruse, Daniel Kuhn, Pascal Laakmann, Annely Neumann, Edita Preniqi, Edona Preniqi, Claas Rickens, Luka Sawilla, Emke Schierenstedt, Yannis Schmidt, Sedra Shaban, Rim Shallabi, Simon Stanke und Cris Wenke.
Der Verkaufspreis von 10 Euro pro Buch geht ohne Abzüge an die Oberschule.