NORDENHAM NORDENHAM - Wenn Klaus Thönes auf das Fresko „Der blutige Bruderkuss“ blickt, sieht er nicht nur ein bedeutendes Zeugnis historischer Wandmalerei, sondern auch einen Patienten. „Und dieser Patient wird immer ein Sorgenkind bleiben,“ sagt der Restaurator über das Fresko, das der Rüstringer Heimatbund Ende 2004 – möglicherweise kurz vor seinem irreparablen Verfall – gerettet hatte. Seit mehr als zwei Jahren gehört das Kunstwerk, das der Düsseldorfer Hugo Zieger 1893 angefertigt hatte, zu den Attraktionen des Nordenhamer Museums. Und damit das noch lange so bleibt, musste sich der Patient in dieser Woche einer intensiven Behandlung unterziehen.
Dass die Wandmalerei, die aus einem Bauernhof in Schmalenfletherwurp ins Museum übertragen wurde, besondere Pflege benötigt, war sowohl dem Vorsitzenden des Rüstringer Heimatbundes, Hans-Rudolf Mengers, als auch Museumsleiter Timothy Saunders von Anfang an klar. Sie hatten aber gehofft, dass sie den Restaurator Klaus Thönes, der seinerzeit auch die Überführung ins Museum geleitet hatte, so schnell nicht wiedersehen würden.
Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Denn dem Patienten ging es zuletzt zunehmend schlechter. Sichtbares Zeichen dafür waren so genannte Farbschichtaufstände. Im unteren Bereich des Freskos platzten millimetergroße Farbpartikel ab. Einige von ihnen lösten sich ganz von der Wand, andere blieben in Verbindung mit dem Fresko. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Farbe völlig von der Wand abblättert. Dem Patienten musste dringend geholfen werden. Und in einer viertägigen Not-Operation gelang es Thönes’ Mitarbeiterin Heike Wehner, das Fresko zu retten.
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Der Restaurator aus Worpswede geht davon aus, dass das Fresko an seinem ursprünglichen Standort hoher Nitratbelastung ausgesetzt war. Die Salze wären unter normalen Umständen kein großes Problem gewesen. Schließlich hatte Hugo Zieger ein so genanntes echtes Fresko geschaffen. Dabei wird die Farbe auf den frischen Putz aufgetragen. Salz hätte dieser diffusionsoffenen Verbindung nicht allzu viel anhaben können.
Das Fresko ist allerdings bei einer Restaurierung im Jahre 1946 mit einer filmbildenden Malschicht versehen worden. Nach den Worten von Thönes war das seinerzeit eine gängige Methode. Sie hat aber den Nachteil, dass der Farbfilm nun die ganze Zerstörungskraft der Salze zu spüren bekommt.
Der Experte geht davon aus, dass dem Fresko Feuchtigkeit entzogen wurde. Das passiert in Phasen niedriger Luftfeuchtigkeit im Raum. Die Salze bilden dann kristalline Formen, die sich unter der Farbschicht um das Hundertfache vergrößern können und eine enorme Zerstörungskraft haben.
Um dem Patienten langfristig zu helfen, hat Heike Wehner Kompressen mit destilliertem Wasser auf die betroffenen Bereiche gelegt. Dadurch lässt sich das Salz herauslösen. Mit Hilfe von feinem Papier wurden die abgesprengten Farbpartikel wieder zurückgeklappt.
Klaus Thönes glaubt, dass das Salzproblem nicht so schnell wieder auftreten wird. Er geht aber nicht davon aus, dass er sein Sorgenkind zum letzten Mal besucht hat.