Bremen /Lemwerder Diesmal war alles ein bisschen anders. Ein bisschen größer. Ein bisschen verrückter. Schon im Vorfeld des 14. swb-Marathons in Bremen stand Jan Knutzen im Mittelpunkt der Berichterstattung in den Medien der Hanse-Stadt. Die Geschichte des Mannes aus der Wesermarsch, der sich von einem eher unsportlichen Freizeitfußballer zum viertbesten Marathon-Läufer Niedersachsens gemausert hat, lässt sich schließlich hervorragend erzählen. Sogar ein Fernsehteam begleitete den Läufer der SG akquinet Lemwerder am Tag des Wettkampfs. Und Knutzen erfüllte die hohen Erwartungen. Er gewann den Stadtmarathon am Sonntag in 2:27,01 Stunden souverän. Jan Rutsch, sein schärfster Konkurrent, überquerte die Ziellinie drei Minuten später. Knutzen war glücklich. „Die Form hat gestimmt. Das war ein Tag, die ich mir im Kalender Rot anstreichen kann“, sagt er.
Froh und glücklich
Knutzen ist kein Athlet, der den Trubel um seine Person braucht. Aber er mag es, wenn seine Leistung die angemessene Wertschätzung erfährt. „Das hat schon alles richtig Spaß gemacht“, sagt er. Dass die hohen Erwartungen den Leistungsdruck verstärkt haben, hat er schon gespürt. „Deshalb bin ich auch froh und glücklich, dass alles wie geplant geklappt hat“, sagt er. Den meisten Druck macht sich Knutzen ohnehin selbst. Er ist sein Antrieb.
Und diese innere Kraft benötigte er in Bremen wie wohl in keinem seiner Wettkämpfe zuvor. Er musste das Rennen von Beginn von vorne laufen, wie die Läuferinnen und Läufer es nennen. Er war alleine. 42,195 Kilometer lang.
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„Das war schon eine ganz andere Nummer als in Düsseldorf“, sagt Knutzen. Im April dieses Jahres hatte er in der nordrhein-westfälischen Hauptstadt in 2:25,36 Stunden seine persönliche Bestzeit aufgestellt. Damals profitierte er von der Zusammenarbeit mit der weißrussischen Spitzenläuferin Volha Mazuronak, die im August die Europameisterschaft gewann. Dieser positive Einfluss fehlte im Bremen.
Doch Knutzen hat inzwischen die mentale Härte, mit solch einer Extremsituation umzugehen. Das bestätigen die Zahlen. Kilometer 40 lief er in 3:28 Minuten. „Ich hätte aber nichts dagegen gehabt, wenn jemand bei mir gewesen wäre, der mir auch den letzten Schub gegeben hätte“, sagt Knutzen.
Trainingsmarathon
Doch er wusste, was ihn in Bremen erwartete. Im August hatte er deshalb erstmals einen Trainingsmarathon alleine bestritten. „Darauf habe ich all die Jahre hingearbeitet. Mein Trainer Karl Spieler hat mir gesagt, dass ich das irgendwann alleine packen werde – und ich habe es geschafft.“
Ganz alleine war Knutzen dann doch nicht. Nils Plugge vom Team Laufrausch aus Oldenburg begleitete ihn auf dem Rad. „Er war wirklich eine tolle Unterstützung“, sagte Knutzen. Plugge reichte die Getränke und feuerte Knutzen immer wieder an. Kurz vor dem Ziel rief ihm Plugge dann noch mal ins Gedächtnis, dass es für einen Läufer auch wichtig ist, die Atmosphäre an der Strecke aufzusaugen. „Komm, genieß’ das, Junge“, rief er. Und Knutzen tat, wie ihm geheißen. „Das waren schon Gänsehaut-Momente. Die Stimmung auf den letzten Metern war der absolute Hammer. Die Zuschauer haben eine richtige Partie gefeiert und mich getragen“, sagt er. Deshalb habe er es sich nicht nehmen lassen, nach dem Zieleinlauf noch mal zurückzulaufen, um sich bei den Fans zu bedanken.
Obwohl er ein einsames Rennen bestreiten musste, lief Knutzen in seinem letzten großen Wettkampf in dieser Saison seine zweitbeste Marathon-Zeit überhaupt – mit einer ganz normalen Arbeitswoche in den Beinen, wie er betont. In der Woche zuvor hatte er das Training natürlich reduziert. „Ein Trainingslager habe ich diesmal nicht dazwischenschalten können“, sagt er. „Dennoch habe ich mich während des ganzen Rennens richtig gut gefühlt“, erzählt er. „Auf den letzten Metern musste ich zwar noch richtig arbeiten, zumal die Strecke doch ein wenig verwinkelt war.“ Aber die erste Video-Analyse habe sein Gefühl bestätigt: „Ich war kompakt und bin nicht eingeknickt. Auch der Schritt gefällt mir sehr gut.“
Start an Silvester
Das Laufjahr 2018 ist für Knutzen damit vorbei. Wie lange er pausieren werde, wisse er noch nicht. Fest steht nur, dass er an Silvester die Schuhe schnüren möchte. Auch ein Start in Nordenham sei durchaus möglich. Aber noch habe er sich nicht entschieden.
Im kommenden Jahr peilt Knutzen den nächsten Leistungssprung an. Der Sieg in Bremen habe ihn weiter gestärkt, sagt er. „Ich hoffe, dass ich beim nächsten Marathon meine eigenen Tempomacher dabei habe“, sagt er. „Vielleicht ist ja eine Zeit um die 2:23 Stunden drin. Man muss ja schließlich Ziele haben und weiterkommen.“ Das sagt ein Läufer, der im Marathon auf der deutschen Bestenliste in diesem Jahr auf Rang 21 steht. Es stimmt schon: Jan Knutzens Geschichte lässt sich verdammt gut erzählen. Und vielleicht wird das Kapitel, in dem es um das Jahr 2019 geht, ja noch ein wenig verrückter.