Blexen Beim Öffnen des Glaskastens ertönt ein Lärm, der Erinnerungen an ein Flugzeugtriebwerk weckt. Das kommt nicht von ungefähr, denn hinter der schallisolierten Tür befindet sich eine Gasturbine. Mit ihrer Motorleistung von 10 000 Pferdestärken erzeugt die blitzblanke Maschine nicht nur ein ordentliches Getöse, sondern vor allem günstigen und umweltfreundlichen Strom für Kronos Titan in Blexen. Das Chemie-Unternehmen hat am Donnerstag sein neues Kraftwerk offiziell in Betrieb genommen. Es ist mit zwei solcher Gasturbinen und zusätzlich mit einer Dampfturbine bestückt. 21,5 Millionen hat sich Kronos Titan die zukunftsträchtige Neuanschaffung kosten lassen.
Eine Investitionssumme in dieser Größenordnung ist selbst für den weltweit tätigen Kronos-Konzern kein Pappenstiel. Gerade angesichts der unerfreulichen Umsatzentwicklung in 2013 bekommt das Millionen-Projekt in Blexen einen besonderen Stellenwert. Das wissen Werkleiter Peter Aengeneyndt und seine Mitarbeiter zu schätzen. Er sprach dem aus Leverkusen angereisten Geschäftsführungsmitglied Klemens Schlüter ein großes Dankeschön dafür aus, dass die Konzernspitze die Baumaßnahme trotz der schwierigen Finanzlage umgesetzt hat. Ähnlich äußerte sich Projektleiter Bernd Kügler. Der Ingenieur machte kein Geheimnis daraus, dass er zwischenzeitlich einen Baustopp bei dem Ende 2012 begonnenen Vorhaben befürchtet hatte.
Hohe Rohstoffpreise
Nach Angaben des Kronos-Geschäftsführers Klemens Schlüter war 2013 „das schlechteste Jahr in der Konzerngeschichte“. Und die ist immerhin schon 98 Jahre alt. Als Hauptursache der Probleme führt er die enormen Preisschwankungen auf dem Rohstoffmarkt an. Weil die Ausgaben für den Ankauf von Titanerz weit über dem Plan lagen, brachen die Erlöse zusammen.
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In den beiden ersten Quartalen des Jahres 2013 fuhr Kronos weltweit ein Minus von jeweils 43 Millionen Dollar ein. In den folgenden Monaten entspannte sich die Situation zwar, aber zum Jahresabschluss blieb Kronos auf einem Rekorddefizit in Höhe von 86 Millionen Dollar sitzen. Das entspricht einem Verlust von 62,7 Millionen Euro. „So ein grausames Jahr möchten wir nicht noch einmal haben“, sagt Klemens Schlüter.
Die Talfahrt ist auch an den beiden deutschen Kronos-Standorten in Leverkusen und Nordenham nicht spurlos vorbeigegangen. In Nordenham hielten sich die Auswirkungen der hohen Rohstoffpreise allerdings in Grenzen, weil dieses Werk sein Titanerz aus der konzerneigenen Mine im norwegischen Hauge bezieht. In der Fabrik auf dem Blexer Groden produzierte Kronos im vergangenen Jahr 74 000 Tonnen Titandioxid. Die Auslastung lag laut Werkleiter Peter Aengeneyendt bei 90 Prozent. 380 Mitarbeiter sind in dem Werk beschäftigt.
Geschäftsführer Klemens Schlüter betont, dass Personalkürzungen trotz des Krisenjahres 2013 kein Thema sind. „Für 2014 erwarten wir wieder eine volle Auslastung“, sagt er. Die Umsatzzahlen sehen auch schon deutlich besser aus. Im ersten Quartal dieses Jahres verbuchte Kronos einen Gewinn von 28 Millionen Dollar (20,4 Millionen Euro). Da die Auftragslage gut ist und sich die Erzpreise stabilisiert haben, sieht der Geschäftsführer mit Optimismus in die Zukunft.
Titandioxid wird in erster Linie als Pigmentstoff für Farben und Beschichtungen sowie für Kunststoff und Papier verwendet. Der weltweite Gesamtausstoß der Kronos-Werke lag im vergangenen Jahr bei 550 000 Tonnen.
Standort-Sicherung
Das neue Gas- und Dampfturbinenkraftwerk ist laut Klemens Schlüter ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des Kronos-Standortes in Nordenham, weil es für eine nachhaltige Kostenreduzierung sorgt. Schon in drei bis vier Jahren sollen sich die Investitionen amortisiert haben.
Bürgermeister Hans Francksen würdigte bei der Inbetriebnahme die Innovationsfreudigkeit des Unternehmens. Dass das aufwendige High-Tech-Projekt punktgenau nach der Budget-Planung verwirklicht werden konnte, sei eine „stolze Leistung“.