WEHLENS Sein Alter sieht man ihm nicht an: Mit ausgreifenden Schritten schreitet der Senior über die Wiese. Seine Haltung ist immer noch stolz und selbst in schnelleren Gangarten bewegt er sich mühelos. Sein Haar ist noch dicht und glänzt rotgolden in der Sonne.
Nur die Zähne wollen nicht mehr so richtig. So wie in jungen Jahren eine Möhre zerkauen, das gelingt dem Alten nicht mehr. Und er friert auch leichter als früher, so dass er seine Spaziergänge eingehüllt in eine Decke unternimmt.
Der „Alte“ heißt Akito und ist gerade 30 Jahre alt geworden. Ein stolzes Alter für ein Pferd, das normalerweise höchstens halb so alt wird. Er ist ein Fuchswallach und gehört Susanne Kluin. Die Reiterin kaufte ihn 1993, ein Jahr nach ihrer Hochzeit. „Da war er bereits zehn Jahre alt und nicht ganz fit. Wir haben ihn sparsam eingesetzt und er hat uns nur Freude gemacht“, schwärmt die Pferdenärrin. „Er war ein gutes Lernpferd und hat so manchen Reitabzeichenanwärter durch die Prüfung geschaukelt.“ Das brachte ihm viele Fans und den Spitznamen „Champion“ ein.
Geritten wird Akito schon lange nicht mehr. Seit vier Jahren lebt er im „Pferdeseniorenheim“. So nennt Renate Graul selbst ihren Pferdestall, den sie und ihre Familie vor vier Jahren gepachtet haben und in dem außer ihren beiden Pferden und Akito noch zwei Pferdesenioren liebevoll betreut werden. „Bayka ist 27 Jahre alt und Sternschnuppe 29“, sagt sie. Gemeinsam mit Tochter Svenja bewältigt sie die „Altenpflege“. „Die Möhren werden klein geschnippelt und das Heu angefeuchtet, damit die alten Pferde es besser kauen können.“
Die Pferde kommen täglich auf die Weide. Im Winter, als alle Wege und Weiden vereist waren, stellten Grauls ihren Garten am Haus als Pferdeauslauf zur Verfügung. „Alte Pferde sind wie alte Menschen, irgendwie dankbarer“, sagt Renate Graul, die sich mit dem Mini-Pferdehof einen Lebenstraum erfüllt hat. „Bei uns kommt kein Pferd zum Schlachter. Wenns gar nicht mehr geht, wird es eingeschläfert.“
„Wir Pferdebesitzer sind dankbar, dass es Menschen wie Renate Graul gibt“, sagt Susanne Kluin. Bei ihr weiß sie Akito in guten Händen. „Akito ist der Chef im Stall“, sagt Renate Graul. „Er will immer der erste sein, wenn wir die Pferde auf die Weide lassen.“ Sie kennt die Eigenheiten und Vorlieben „ihrer Pferde“ genau. Schließlich sind sie und ihre Tochter morgens die ersten im Stall und spätabends die letzten.