BAD ZWISCHENAHN - Ende März, Anfang April kramt Hans Hellwig immer wieder gern in Erinnerungen. Dann nimmt der 90-Jährige auch gern das alte Fotoalbum zur Hand, dass er über einen Weltkrieg und fast ein Dreivierteljahrhundert hat retten können: Am 4. April 1938 begann für den seinerzeit 16-Jährigen eine „arbeitsreiche, aber auch dolle, eine schöne Zeit“ – im Moor zwischen Ocholt und Barßel.
„Ich wollte unbedingt Soldat werden“, berichtet Hellwig über Erlebnisse, die mehr als 70 Jahre zurückliegen, an die er sich aber noch im Detail erinnert. „So war das damals.“ Doch bevor er zur Wehrmacht konnte, stand der Arbeitsdienst an. „Auch Wehrpflichtige mussten Arbeitsdienst leisten.“
Sein Vater, seinerzeit Gendarm in Zwischenahn, brachte den Sohn nach Karlshof. Auf dem Hof Oltmanns bezog er mit rund 200 anderen jungen Menschen Quartier – und hatte für die kommenden Monate ein schon militärisch streng geregeltes Leben: 6 Uhr Wecken, dann Frühstück, 7.30 Uhr Marsch ins Moor. Das galt es in fruchtbares Land für Neusiedler umzuwandeln, mit Hacke und Spaten – „Maschinen gab es keine, das war alles Handarbeit“.
Moor kultiviert
Bis Ende Juni war Hellwig Teil der Abteilung 1/190 des Reichsarbeitsdienstes. Bis mittags wurde das Moor kultiviert, dann stand Küchendienst und nachmittags Sport an – mit Bekleidungsappellen und Spindkontrollen. „Das ging alles militärisch zu“. Und für Hans Hellwig gehörte noch etwas dazu: der Spielmannszug der Abteilung. Beim Blättern im Fotoalbum fallen dem rüstigen 90-Jährigen immer wieder Details ein. Ob Anekdoten übers Kartoffelschälen, ob der Einsatz beim großen Moorbrand im Fintlandsmoor, ob die Geschichte von den Kameraden, die einhändigen Handstand auf dem Spaten konnten oder den Ärger, den es gab, wenn die Fingernägel beim Appell nicht sauber genug waren.
Oder auch die vom „Umzug“ nach Süden: „Ende Juni war unsere Zeit in Karlshof vorbei. Drei bis vier Siedlerstellen waren bezugsfertig, dann haben wir unser Lager abgebaut.“ Für die Abteilung war die Arbeit damit aber nicht vorbei. Sie wurde ins Saarland verlegt. Und rund um Lebach wartete statt Moorboden felsiger Untergrund. „Von Bunker zu Bunker haben wir Gräben gezogen für die Rohrpost. Das war in dem steinigen Boden richtig Arbeit.“ Und nach dieser Arbeit ging es im Lager weiter, erinnert sich Hellwig: „Da mussten wir das Barackenlager selber aufbauen.“
Bis zum 24. Oktober 1938 blieb Hellwig im Saarland. Dann hielt er den Entlassungsschein in den Händen: „Bloh“ stand dort als Zielort. Der Dienstort des Vaters. Freizeit aber hatte der gerade 17-Jährige kaum: Am 11. November wurde er Soldat des Infanterieregiments 16 in Oldenburg.
Bauer auf Umwegen
Die Zeit als „Landarbeiter“ sollte sich aber noch mindestens zweimal in seinem Leben als nützlich erweisen: Als solcher kam er im Rheinland als Kriegsgefangener zu den Briten – „und wurde dort gut behandelt“. Und obwohl er mit 23 Jahren nach der Rückkehr ins Ammerland wegen des Alters keine Lehrstelle auf einem Bauernhof finden konnte, konnte sich Hellwig, der nach dem Krieg Polizist wurde, durch die Hochzeit doch noch einen kleinen Traum erfüllen: durch seine Frau kam er doch noch zur Landwirtschaft. Gemeinsam mit seiner Frau und Schwager bewirtschaftete er – im Nebenerwerb – einen Hof in Kayhauserfeld.
Auch wenn Hellwig seinerzeit der Jüngste in Karlshof war, und wenn er als 90-Jähriger weiß, dass nicht mehr viele der Kameraden von damals leben, würde er sich über eine Kontaktaufnahme unter Telefon 04403/3946 freuen.