Bensersiel/Oldenburg - Wende im Streit um die illegale Umgehungsstraße von Bensersiel? Die Stadt Esens (Kreis Wittmund) hat dem Eigentümer am Dienstag ein Kaufangebot für die Trasse durch ein EU-Vogelschutzgebiet gemacht. Konkrete Summen wurden nicht genannt. Es könnte aber um bis zu 2,5 Millionen Euro gehen.
Der Grundstückseigentümer, ein pensionierter Dortmunder Jurist, reagierte zurückhaltend. Das Angebot sei erst am Mittwochmittag eingetroffen, hieß es von seiner Seite. Man werde es an den Anwalt weitergeben und „gegebenenfalls von einem Gutachter prüfen lassen“.
Die Stadt Esens will vom Eigentümer das gesamte 71 Hektar große Areal rund um die Umgehungsstraße inklusive eines Hofgebäudes erwerben. Als Alternative bietet sie an, ihm die wesentlich kleinere Fläche der Straße abzukaufen. Im Gegenzug soll der Jurist dann auf alle Klagen verzichten.
Die Stadt ist demnach offenbar bereit, pro Hektar Fläche rund 30 000 Euro zu zahlen. Das wären bei 71 Hektar 2,1 Millionen Euro. Rechnet man weitere Kosten für den Kläger zusammen, könnte der Gesamtpreis bei 2,5 Millionen Euro liegen.
Das Angebot orientiert sich nach Angaben des stellvertretenden Stadtdirektors Herwig Hormann an den Vorschlägen des Landgerichts Aurich von Anfang November. Der Eigentümer hatte dort auf Schadenersatz für die vor einigen Jahren zu Unrecht enteigneten Flächen geklagt.
Das Gericht will am 19. Januar sein Urteil verkünden. Richter Hans-Wilhelm Diehl hat aber bereits deutlich gemacht, dass die Stadt Esens den Prozess verlieren wird – und beiden Parteien zu einer außergerichtlichen Einigung geraten.
Wenn die Stadt nur die rund sieben Hektar Fläche kaufen würde, auf denen die Straßentrasse verläuft, müsste sie nur 210 000 Euro bezahlen. Falls der Eigentümer alle Angebote ablehnt, droht weiterhin ein Abriss der inzwischen für den Verkehr gesperrten Umgehungsstraße.
Hormann sprach demnach von einer hohen wirtschaftlichen Bedeutung der Straße für die Stadt und von einem attraktiven Angebot für den Eigentümer. „Wir hoffen darauf, dass der Kläger einwilligt – das wäre für uns ein schönes Weihnachtsgeschenk“, wird die Esenser Bürgermeisterin Karin Emken im „Anzeiger für Harlingerland“ zitiert.
Möglicherweise könnte es am Ende aber doch teurer für die Kommune werden. Kritiker bemängeln, dass in dem Angebot nicht berücksichtigt wird, dass die Flächen des Grundstückseigentümers seit mehr als acht Jahren mit einer rund 8,4 Millionen Euro teuren Straßentrasse überbaut sind.
Zu einem ordentlichen Grundstückspreis gehörten üblicherweise auch die Aufbauten. Ein bebautes Hausgrundstück könne man ja auch nicht nur zu dem landwirtschaftlichen Quadratmeterpreis erwerben, den es vor dem Bau hatte.
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Der Dortmunder Jurist prozessiert seit 2005 gegen die Planung und den Bau der Umgehungsstraße und hat mehrere Verfahren bis zur höchsten Instanz gewonnen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erklärte den Bau der Straße durch ein faktisches Vogelschutzgebiet 2014 für rechtswidrig. Die Stadt Esens ignorierte jedoch alle Urteile.
Die Naturschutzorganisation Wattenrat fürchtet indes, dass der Kläger das Angebot annimmt. „Auch die nun endlich beabsichtigte ausreichende Entschädigung des Landeigentümers macht die Straße nicht legaler“, sagte Manfred Knake vom Wattenrat.
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„Die zugrundeliegende Rechtsprechung würde ignoriert, kein verantwortliches Rats- oder Verwaltungsmitglied würde in Amtshaftung für die entstandenen Vermögensschäden genommen werden, der Vorwurf der Rechtsbeugung würde nicht geprüft werden.“
Die Stadt Esens versucht gerade mit einem neuen Bebauungsplan Nummer 89 den Bau der Umgehungsstraße nachträglich zu legalisieren. Knake sprach von einem äußerst fragwürdigen Versuch der „Heilung“ eines bereits ausgeurteilten Verfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil von 2014 eine rückwirkende Neuabgrenzung des Schutzgebietes für den Bereich der Straße ausgeschlossen. Daran seien ja auch die bisherigen Bebauungspläne gescheitert.