Brake/Elsfleth - Am morgigen Totensonntag wird der Verstorbenen gedacht. Tod und Trauer scheint dabei aber noch immer ein gewisses Tabu anzuhaften. „Über den Tod spricht man nicht“, konstatiert Uta Hagemoser. Zumindest nicht gern, und doch muss sich jeder früher oder später damit auseinandersetzen: Mit dem eigenen Sterben oder mit dem Abschiednehmen von Menschen, die einem nahestehen.
Trauergruppe
Hagemoser ist ehrenamtlich für das Kriseninterventionsteam Wesermarsch tätig und leitet zusammen mit Miriam Lenkering und zwei weiteren Ehrenamtlern den „Trauertreff Sonnenblume“ in Brake. „Der Weg zu uns ist für viele der erste Schritt, um eine Trauerbewältigung in Gang zu setzen. Wir bieten ihnen einen geschützten Raum, wo sie einfach sie selbst sein können“, beschreibt Lenkering die Grundidee des Trauertreffs.
Jeden Montagabend können sich Trauernde hier untereinander austauschen, können rauslassen, was ihnen auf der Seele lastet, und Fragen klären, die sie sich andernorts nicht zu stellen trauen: Darf ich lachen? Darf ich ausgehen, obwohl mein Mann kürzlich verstorben ist? „Viele Trauernde stehen unter großem Druck, weil sie denken, sie müssten irgendwelche Erwartungen erfüllen. Wir versuchen, den Trauernden eine Last zu nehmen“, erklärt Uta Hagemoser. Alles, was erzählt, gefragt und besprochen wird, bleibt in den vier Wänden des Trauertreffs – Hagemoser, Lenkering und ihre Kollegen unterliegen einer Schweigepflicht.
Die beiden Frauen legen viel Wert auf eine einladende, heimelige Atmosphäre im Trauertreff – die Trauernden sollen sich von Anfang an wohlfühlen. Miriam Lenkering betont dazu: „Wichtig ist vor allem: Die Betroffenen bestimmen das Tempo selbst. Wenn einer eine halbe Stunde schweigen möchte, dann schweigt er eben. Wer weinen möchte, weint. Bei uns wird aber auch gelacht oder auch mal über ganz andere Dinge als Trauer und Schmerz gesprochen.“
Für Uta Hagemoser ist dabei das schönste Lob, wenn Trauernde gestärkt aus dem Kreis rausgehen, und sei es nur für den Moment. Und da kann Miriam Lenkering nur zustimmen: „Manche kommen hier völlig angespannt an und sagen uns am Ende, dass es ihnen sehr gutgetan hat. Wir bekommen somit viel zurück und wir sehen, dass der Bedarf da ist. Deshalb machen wir das gerne.“
Palliativstützpunkt
Anderen steht die Zeit des Trauerns noch bevor, während sie sich der Auseinandersetzung mit dem Sterben längst nicht mehr verwehren können. Wenn bei schwerer Erkrankung in einem fortgeschrittenen Stadium eine Heilung nicht mehr möglich ist, haben Patienten ein Recht auf eine würdige ärztliche und pflegerische Versorgung bis zum Tod. Dies kann in einem Hospiz erfolgen, viele haben jedoch den Wunsch, die letzten Wochen oder Monate in vertrauter häuslicher Umgebung zu verbringen. Das Palliativ Netzwerk Wesermarsch ermöglicht sterbenden Patienten eine würdevolle, weitestgehend schmerzarme Betreuung zuhause.
„Wir holen das Hospiz nach Hause“, fasst Birthe Heins, Leiterin des Koordinationsteams am Palliativstützpunkt in Elsfleth, die Arbeit des Netzwerkes zusammen.
Der Palliativstützpunkt ist die erste Anlaufstelle für Patienten, die zuhause sterben möchten. Hier laufen die Fäden des Palliativ Netzwerkes, in dem Ärzte, ambulante Pflege- und Hospizdienste, Krankenhäuser und Apotheken für eine optimale Betreuung kooperieren, zusammen. Eine zentrale Rolle spielen die Pflegedienste. Diese holen die anderen Partner mit ins Boot. Die Pflegedienste im Palliativ Netzwerk Wesermarsch müssen jeweils mindestens drei ausgebildete Palliativfachkräfte beschäftigen.
„Wir kommen dann ins Spiel, wenn Probleme vom allgemeinen Pflegedienst nicht mehr behoben werden können“, erklärt Heins, die wie ihre Kolleginnen im Koordinationsteam auch zur Palliativ-Care-Fachkraft ausgebildet ist. Palliativfachkräfte wissen Bescheid über die individuelle Symptomatik und die notwendige medikamentöse Einstellung der Patienten. Vor allem aber bringen sie viel Zeit mit und bieten Angehörigen auch eine psychosoziale Entlastung. „Wir betreuen nicht nur den Sterbenden,sondern die ganze Familie. Die werden dann nicht allein gelassen, haben nicht mehr die Last, sich um alles kümmern zu müssen. Dafür sind sie meistens sehr dankbar. Mir gibt das sehr viel zurück“, beschreibt Birthe Heins’ Kollegin Simona Strauch ihre emotional nicht immer einfache Arbeit.
Ambulanter Hospizdienst
Keine pflegerische, sondern eher psychische Unterstützung bietet der ambulante Hospizdienst des Diakonischen Werkes Wesermarsch, der trotz kirchlichen Trägers konfessionsungebunden ist. Die etwa 40 ehrenamtlichen Mitarbeiter schenken Sterbenden Zeit und begleiten sie, damit sie mit ihren Ängsten, aber auch mit ihren Wünschen und Bedürfnissen, nicht alleine sind. Den Angehörigen bieten sie Entlastung, durch Gespräche, aber auch, indem sie für ein paar Stunden die Betreuung von Patienten übernehmen. Beiden Seiten möchten sie die Zeit des Abschiednehmens erleichtern. „Wir wollen, dass es den Menschen in ihren letzten Tagen und Wochen besser geht. Individuelle Bedürfnisse werden radikal ernstgenommen. Wir sind nicht diejenigen, die den Tod bringen. Wir bringen das Leben zurück“, stellt Karin Schelling-Carstens, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes Wesermarsch, klar und zitiert Cicely Saunders, eine Vorreiterein der Hospizbewegung: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“
Ute Gryczan, Mitarbeiterin im ambulanten Hospizdienst, ist es wichtig, Sterben als Teil des Lebens würdig gestalten zu können. „ Wir werden auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und kriegen eine andere Sicht auf unser Leben geschenkt“, so Gryczan. Außerdem bekäme man im Hospizdienst geschenkt, „dass die Angst vor dem Sterben weniger wird oder gar nicht mehr da ist“, ergänzt Karin Schelling-Carstens. Ein wahrlich wundervolles Geschenk, das man als Außenstehender bei der Arbeit mit todkranken Menschen vielleicht gar nicht unbedingt erwarten würde.
Trauernde finden Unterstützung beim Trauertreff „Sonnenblume“ in der Langen Straße 62 in Brake. Der Treff findet jeden Montag von 18 bis 20 Uhr statt. Weitere Informationen gibt es unter
Der Bundesverband Trauerbegleitung (BVT) verfügt über ein Verzeichnis von Trauerbegleitern:
Ute Gryczan ist Sterbe- und Trauerbegleiterin in Brake und Mitglied des BVT. Sie kann unter
Das Palliativ Netzwerk Wesermarsch e. V. kann unter
Auskunft über den ambulanten Hospizdienst gibt Karin Schelling-Carstens unter
Das Diakonische Werk bietet jeden dritten Mittwoch im Monat einen Trauergesprächskreis in Warfleth an. Weitere Informationen können bei Karin Schelling-Carstens erfragt werden.