Friedeburg - Punkt 10.00 Uhr lässt Lokführer Rainer Duits den Dieselmotor an. Die Passagiere gackern schon aufgeregt. Sie wissen, was kommt. Die Lok fährt vorsichtig an, rollt samt Stall knapp 30 Meter nach vorn und schon stoppt sie wieder. „Das reicht“, sagt Duits, der Betriebsleiter für Legehennen beim Geflügelhof Onken im ostfriesischen Friedeburg ist. Dann rollt eine lange Jalousie langsam hoch und hunderte braune Hühner hüpfen, flattern und springen aus dem mobilen Hühnerstall.

Für die Hennen ist das klasse, denn durch die kurze Fahrt kommen sie wieder auf Grünland, wo sie picken können. Die Hühner bleiben sowieso in der unmittelbaren Umgebung des Stalls, picken und scharren im Umkreis von nur 30 Metern. Das allerdings ziemlich intensiv. Schon nach kurzer Zeit ist der Rasen kaputt und die Erde ganz aufgewühlt und schwarz. Der Zug fährt mindestens einmal pro Woche und bewegt den Stall dann aufs nächste Grünfeld, während sich die Vorstation erholen kann.

Den Hühnerstall hat Duits (56) selbst gebaut. „Die Hühner haben ihr Zuhause immer dabei“, sagt der Landwirt. Tagsüber draußen, nachts im Stall. Um 6.00 Uhr geht für die Hühner das Licht an und drei Türen öffnen sich automatisch in zwei sogenannte „Wintergärten“, kleine Vorräume, die links und rechts am Stall angebracht sind. Dort gibt es eine Box zum Sandbaden und einen Scharrraum. Wenn es um 10.00 Uhr ans Aussteigen geht, sollen die Legehennen ihr Tagwerk vollbracht und quasi den Fahrschein gelöst haben: „Ticketpreis: ein Ei am Tag“, scherzt Duits.

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Der 17 Meter lange Schienen-Stall ist ziemlich ausgeklügelt. Es gibt Sitzstangen, Trinkvorrichtungen, eine Be- und Entlüftung, ein Futterband, das sechs mal am Tag rund läuft und natürlich ein Rundum-Kotband, das unter dem Gitter läuft und einmal die Woche gesäubert wird. Das Wichtigste ist aber der Aufenthalt im Freien. „Das entspricht am ehesten dem natürlichen Verhalten der Hühner“, sagt Diplom-Agraringenieurin Stefanie Pöpken.

Die Fachreferentin mit Schwerpunkt Geflügel und Rinder des Tierschutzvereins Provieh weist darauf hin, dass Hühner eigentlich Waldrandbewohner sind. Das freie Feld ist nicht ihre Sache, denn das käme auch dem Habicht sehr gelegen. Hühner müssen im Gefahrenfall auch Unterschlupf finden. Auch das bietet der Hühnerzug: Die Tiere können unter den Schienenstall flüchten, was sie auch verschreckt und auf Kommando tun, als Duits die laute Lokhupe drückt.

Die Idee mit der Lok, die im September beim Geflügelhof Onken in Dienst gestellt wurde, hatte sein Kollege. Wie die Schienen kommt sie aus dem Emsland und war früher im Torfabbau im Einsatz. Der Vorteil der Lok: Würde der mobile Stall mit dem Trecker gezogen, könnte der Boden vor allem bei nasser Witterung schnell vermatschen. Der Schienentransport ist da schonender.


Die 1000 Hühner (Zuchtlinie: Lohmann Brown) legen täglich rund 900 Eier, die mit der Hand sortiert werden. „Wiesenei“ nennt Onken diese Eier, die im Sechser-Pak für 2 Euro verkauft werden. Nebenan im großen Stall sind über 37 000 Hennen untergebracht, die im Schnitt 30 000 Eier pro Tag legen. Alle Eier werden auf Wochenmärkten verkauft.

„Hühner sind ziemlich neugierig“, so der Betriebsleiter, der immer wieder Hennen aus dem Lok-Führerstand herausheben oder weg scheuchen muss, weil er die Tür mal kurz aufgelassen hat. Das Rumgegacker und -gepicke hat erst abends ein Ende, wenn es dunkel wird. Dann steigen alle Hühner von sich aus wieder in den Stall ein, mit der Gewissheit: Die Fahrt auf dem Betriebsgelände in Marx geht bald weiter.