Wer hat nicht schon einmal, wie ich auch, Wurst oder Fleisch von „Müllers Wurst-Diele“ gekauft. Ob im Hauptgeschäft in Heide oder in einer der neun Filialen. Mittlerweile ist „Müllers Wurst-Diele“ der einzige noch produzierende Fleischereibetrieb in Ganderkesee. Mich hat interessiert, wer die Personen hinter diesem Unternehmen mit knapp 80 Mitarbeitern sind.
Inhaber ist Hergen Kämena. Er ist der jüngste von drei Söhnen von Herbert und Adda Kämena. Sie hatten einen landwirtschaftlichen Betrieb in Horst, den Hergens älterer Bruder Harm-Dierk übernommen hat.
„Schon in der Grundschule in Schönemoor musste ich mich den Frauen unterwerfen, denn wir waren mit nur drei Jungs in der Klasse in der Minderheit. Es gibt heute nur ein weibliches Wesen, das auf mich hört – meine Kooiker-Hündin ,Kira‘.“ Später in der Realschule war das Verhältnis Mann – Frau dann wieder ausgeglichen.
Geschenkt wurde ihm von seinen Eltern aber nichts. Sein Taschengeld musste er mit Eiersuchen verdienen und um das Geld für sein Mofa zusammen zu bekommen, musste er viel Geschirr in der Schönemoorer Gaststätte Logemann spülen. In der Jugendzeit von Hergen waren Hausschlachtungen auf den Höfen noch gang und gäbe! Zu gerne knetete er als Zwölfjähriger schon die eigene Mettwurst. Während andere Lokomotivführer oder Pilot als Traumberuf hatten, ging es bei ihm schon in Richtung Fleischer. Als er – noch als junger Mann – bei einem Ball in Schönemoor vom hiesigen Fleischer Heinz Müller gefragt wurde, was er einmal werden möchte – „vielleicht Bäcker?“ –, war das für Hergen eine reine Provokation. „Bäcker nein, Fleischer ja“, war seine knappe Antwort. „Gut dann kannst Du bei mir als Lehrling anfangen“, so Heinz Müller. Das war im Jahr 1983.
1963 hatten Heinz und Hannelies Müller ihre Fleischrei „Müllers Wurst-Diele“ mit ihrem ersten Geschäft in Hude gegründet. Schon Heinz Müllers Philosophie war: Ich will wissen, wo die Tiere herkommen, die verarbeitet werden. „Ein guter Stall ist entscheidend!“ Auf seinem eigenem Betrieb „Gut Nutzhorn“ zog Müller die Tiere auf, und weil diese nicht ausreichten, kamen die anderen von ihm bekannten Landwirten. Artgerechte Haltung und eine natürliche Fütterung ohne Medikamente sind Pflicht. Dieses Konzept hat sich bis heute nicht geändert.
Hergen Kämena schlug mit seiner Lehre bei Müller gleich „zwei Fliegen mit einer Klappe“. Zum einen hatte er den Beruf, den er immer wollte, zum anderen war er seiner großen Liebe ganz nah. Die Tochter von Heinz und Hannelies Müller, Sabine, hatte es ihm schon seit der frühen Schulzeit angetan. Da der Bruder von Sabine kein Interesse an der Fleischerei Müller hatte, lernte Sabine Fleischereifachverkäuferin. Nach der Lehre sammelten sie und ihr Zukünftiger zusammen noch zwei Jahre Erfahrung in einem Fleischereibetrieb in Cuxhaven. Über Langeweile konnte sich Hergen in den nächsten Jahren nicht beklagen, Fleischereimeister, Betriebswirt, Hochzeit mit Sabine, und dann kamen Tochter Carina und Sohn Marten. So ganz nebenbei war Hergen auch noch die rechte Hand von seinem Chef und Schwiegervater Heinz Müller. Dieser zog sich 1999 aus dem aktiven Geschäft zurück. Hergen und Sabine Kämena übernahmen die Verantwortung. Beiden liegt die Umwelt sehr am Herzen, so zum Beispiel wurde mit einer neuen Heizung, einer Photovoltaik-Anlage und zwei Blockheizkraftwerken der CO,-Ausstoß gegenüber dem Jahr 2000 um etwa 70 Prozent reduziert.
Der Tag von Hergen und auch Sabine Kämena beginnt oft schon morgens um 4 Uhr und endet spät abends. Die wenige Freizeit an den Wochenenden gehört der Familie. Hergen unterstützt als Betreuer der B-Jugend vom VfL-Stenum die Fußballleidenschaft seines Sohnes Marten, Ehefrau Sabine fährt mit Carina zu vielen Reitturnieren, denn die Tochter ist begeisterte Springreiterin.
Ob sie den Schritt in die Selbstständigkeit je bereut haben? Beide sind sich einig: „Wir sind beide in unserem Elternhaus mit der Selbstständigkeit aufgewachsen und auch zur Selbstständigkeit erzogen worden. Unsere Arbeit macht uns einfach ganz viel Spaß!“ Ein gutes Elternhaus oder salopp gesagt ein „guter Stall“ ist eben oft entscheidend.
Inhaber von „Müllers Wurst-Diele“. In dieser Kolumne werden Ganderkeseer vorgestellt.