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Explosionskatastrophe in Beirut Kniehoch in hochgiftigen Chemikalien - Firmen aus der Region im Einsatz


Umgeben von Warnungen mit Totenköpfen: Michael Wentler, Geschäftsführer der Firma Höppner aus Winsen, entsorgt im Hafen von Beirut hochgiftige Chemikalien. 
Naamani

Umgeben von Warnungen mit Totenköpfen: Michael Wentler, Geschäftsführer der Firma Höppner aus Winsen, entsorgt im Hafen von Beirut hochgiftige Chemikalien.

Naamani

Beirut/Im Nordwesten - Mit Chemikalien kennt sich Michael Wentler aus. Wenn es hochgiftige Stoffe zu bergen gibt, dann kümmert sich der Diplom-Ingenieur für Umwelt- und Entsorgungstechnik mit seiner Firma Höppner aus dem niedersächsischen Winsen darum. So wie derzeit im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut. Doch was Wentler hier vorgefunden hat, war für den Fachmann eine „furchtbare Situation“, wie er sie bei der Lagerung von Gefahrgut noch nie erlebt hat.

Wentler watet an diesem Tag in dicken Stiefeln über matschige Erde, die rotbraun und schwarz gefärbt ist. „Es sieht aus, als hätte es hier gebrannt“, erzählt er. „Aber das kommt von der Säure und den über viele Jahre hier austretenden verschiedenen Chemikalien.“

Zersetzte Container

Sein Unternehmen birgt und entsorgt zusammen mit der Firma Combi Lift aus Bremen 52 Container mit Gefahrgut, insgesamt mehr als 1000 Tonnen, die im Beiruter Hafen lagern. Große Teile davon sind hochgiftige, zersetzende und leichtentzündbare Stoffe, die schon seit zehn bis 20 Jahren hier liegen, ohne dass jemals besondere Schutzmaßnahmen ergriffen worden wären. Die Container waren großer Hitze genauso ausgesetzt wie heftigen Regenfällen.

Dann kam es im Hafen im August 2020 zur verheerenden Explosionskatastrophe. Ausgelöst worden sein soll sie durch große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat, die ebenfalls über Jahre ungesichert im Hafen gelagert worden waren. Die libanesischen Ermittlungen in diesem Fall kommen seit Monaten nicht voran.

Nach der Explosionskatastrophe erhielt Wentlers Firma den Auftrag, die hochgiftigen Stoffe im Hafen von Beirut zu bergen. Zum Teil haben die Chemikalien schon Kanister und Container zerfressen und sind ausgelaufen. Als Wentler am Anfang zwei Kanister mit Salzsäure hochhob, fielen diese auseinander. Er selbst stand beim Entladen des Containers kniehoch in der ätzenden Chemikalie.


Woher die Stoffe im Einzelnen stammen und warum sich hier niemand darum gekümmert hat, ist unklar. Darauf gebe es keine klare Antwort, da dieses schon vor vielen Jahren passiert sei, sagt der amtierende libanesischen Minister für öffentliche Arbeiten, Michel Nadschar.

Wentler glaubt, auch die jetzt entsorgten Stoffe hätten unter unglücklichen Umständen eine Detonation auslösen können, etwa wenn sie unbeabsichtigt gemischt worden wären. Die Umweltschäden sind bereits beträchtlich. Ein Beispiel: Viele der in den Containern gelagerten Behälter mit 1000 Litern Salzsäure seien über die Jahre ausgelaufen und in den Boden versickert, sagt Wentler. Die Erde dieses Hafenbereichs sei massiv kontaminiert. „Sie müsste etwa drei bis vier Meter tief abgetragen werden“, erklärt er.

Toxisches Fanggut

Auch die Gefahr für Menschen war hoch. Neben Salzsäure fanden Wentler und sein Team Flusssäure und Methylbromid, beides toxisch. „Flusssäure ist ein starkes Kontaktgift und durchringt schnell die Haut“, erklärt Wentler. Schon durch kleine Mengen können Verätzungen entstehen. Wenn er Feierabend macht, brennen ihm immer wieder die Augen. Regelmäßig ständen über dem Gebiet auch „Nebel von Säure“.

Mit hoher Gewissheit seien die Chemikalien schon längst ins Mittelmeer gelangt, sagt Wentler. Mit Sorge beobachtet er die Angler, die unweit vom Hafen ihr Jagdglück versuchen. Er selbst, sagt er, esse in Beirut keinen Fisch.

Bis Ende dieses Monats will Wentlers Firma die Arbeiten abschließen. Die Abfälle und Gefahrgüter werden dann nach Deutschland über den Hafen Nordenham (Wesermarsch) verschifft und in Niedersachsen entsorgt – und zwar ordnungsgemäß.

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