NORDENHAM - Er sah aus wie eine Kutsche ohne Pferd. Und wie nahezu jede technische Revolution rief er massiven Widerstand hervor: der erste Motorwagen, der auf Nordenhamer Straßen fuhr. Das Fahrzeug war kein Auto, sondern ein Bus: der Benz-Hotelwagen. Am 15. April 1895 verkehrte er erstmals zwischen Nordenham und Eckwarderhörne.
Zweitälteste Buslinie
Das war genau vier Wochen zu spät für einen Eintrag in das große Buch der Autogeschichte. Denn schon am 18. März desselben Jahres hatte die erstes Omnibus-Linie der Welt ihren Betrieb aufgenommen. Sie bediente – ebenfalls mit dem Benz-Hotelwagen – die 15 Kilometer lange Strecke zwischen Netphen und Siegen.
Die Buslinie zwischen Nordenham und Eckwarderhörne ist demnach nur die zweitälteste der Welt. „Das ist aber schon eine kleine Sensation, und es ist wert, dass die Menschen in Nordenham und Butjadingen dies wissen“, sagte Hans-Rudolf Mengers jetzt beim heimatkundlichen Klönabend im Abbehauser Landhotel Butjadinger Tor. Der Vorsitzende des Rüstringer Heimatbund berichtete in einem Vortrag über die ersten Erfahrungen mit Autos in der nördlichen Wesermarsch.
1886 hatte Carl Benz das erste Auto konstruiert. Acht Jahre später bauten seine Mitarbeiter in der Mannheimer Fabrik den ersten Omnibus, damals noch Hotelwagen genannt. Die erste Bestellung ging im Dezember 1894 ein, sie kam aus Nordenham. Die Fuhrunternehmer Janßen und Ihnen bestellten das 3,50 Meter lange und 2 Meter breite Fahrzeug zum stolzen Preis von 5000 Mark.
Darüber berichtete die „Butjadinger Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 18. Dezember 1894, und dies ist der erste Hinweis auf ein Auto in Nordenham. Am 19. Dezember bestellte die Netphener Omnibus-Actiengesellschaft den zweiten Hotelwagen. Weil aber die Benz-Arbeiter, die den Bus für Nordenham fertigen sollten, bei einer Grippewelle erkrankten, bekam Netphen den ersten Omnibus.
Der Bus war offiziell für 6 Fahrgäste ausgelegt, konnte aber 8 aufnehmen. Zwei weitere Passagiere konnten auf dem Führerstand sitzen. Einschließlich des Fahrers hatten also 11 Mitfahrer Platz.
Der Bus war mit Glasscheiben ausgestattet und hatte eine Heizung, die aber nicht tadellos funktionierte. Gepäck konnte am Heck und auf dem Dach verstaut werden.
Der Bus fuhr morgens und mittags vom Bahnhof über Atens, Ellwürden, Abbehausen, Stollhamm, Iffens und Eckwarden nach Eckwarderhörne, wo die Fähre nach Wilhelmshaven ablegte. Die Linie muss wirtschaftlich erfolgreich gewesen sein, denn oft war der Bus schon bei der Abfahrt voll besetzt.
Dennoch rief diese technische Revolution Widerstand hervor – vor allem bei den Landwirten. Schon am 17. April meldete die Zeitung den ersten Unfall: Ein Pferd war in Panik vor dem knatternden und fauchenden Ungetüm davongestürmt und hatte einen Wagen beschädigt. Das blieb nicht der letzte Unfall. Friedrich Müller von Gut Königsfeld beschrieb in einem langen Leserbrief ausführlich einen weiteren Unfall mit dem Bus und drohte eine Unterschriftensammlung an.
Mehr und mehr Landwirte mieden mit ihren Pferdegespannen die in den 1850er Jahren angelegte Klinkerstraße von Nordenham nach Eckwarderhörne, was die Behörden Einnahmen kostete. Denn noch bis 1900 musste jeder, der die Straße nutzte, Wegezoll bezahlen. Die Oldenburgische Landwirtschaftsgesellschaft tagte in Burhave und verfasste eine Eingabe gegen den Motorwagen an den Landtag.
Motorwagen wird verboten
Am 8. März 1896 verbot das Amt Butjadingen die Motorbuslinie und belegte jede Fahrt mit 60 Mark Strafe. Janßen und Ihnen stellten den Transport ein, und jetzt verkehrten nur noch Pferdebuslinien, bis im Jahr 1908 die Butjadinger Bahn ihren Betrieb aufnahm.