OLDENBURG - Vier Jahre zähe Verhandlungen im kriegsgeschüttelten Kabul. Am 15. August der Durchbruch: Die beiden afghanischen Handelskammern – die eine stammt noch aus der kommunistischen Zeit, die andere wurde von den USA nach der Besetzung initiiert – erklären sich trotz vieler Differenzen zur Fusion bereit. Dr. Thomas O. Jenisch atmet auf.
Der Oldenburger, als freiberuflicher Berater und für das Auswärtige Amt am Hindukusch tätig, fährt in Hochstimmung durch Kabul. Doch im Hauptquartier ist niemand, der seine Freude teilt. Die Mitarbeiter haben sich in Sicherheit gebracht. Nicht ohne Grund. Am Nachmittag waren drei deutsche Polizisten bei einem Bombenanschlag getötet worden. Am Abend der nächste Schlag: Zwei englische Zivilisten werden erschossen – durch die Windschutzscheibe.
„Das zieht einen schon runter“, berichtet Jenisch nach seiner Rückkehr am Wochenende in Etzhorn. „Man fragt sich: Meinen die jetzt wirklich uns?“ Die – das sind die Taliban oder andere bewaffnete Banden, die alles tun, um die Bemühungen des Westens zu torpedieren, in Afghanistan neue Strukturen aufzubauen. „Und damit sind wir dann doch gemeint“, sagt Jenisch, der seit Jahren daran arbeitet, in Kabul Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für Gründer und bestehende Firmen zu schaffen.
Der Auftrag ist nicht beendet. Ende September würde Jenisch wieder nach Kabul fliegen, für die nächsten Verhandlungen. Würde. „Ich bin mir nicht sicher“, räumt er ein. Familie und Freunde haben seine Auslandseinsätze immer unterstützt. Doch nun mehren sich andere Stimmen: „Die meisten sagen jetzt: Geh nicht!“
Dass er damit im Zentrum einer bundesweiten Debatte steht, ist ihm bewusst. Die in der Politik irrlichternde Parole „Jetzt erst recht“ ist ihm aber zu flach. Es gehe eher um die viele Arbeit, die investiert wurde, den laufenden Prozess und die Hoffnungen der Afghanen, die auf neue Strukturen setzen. Zudem seien die Deutschen sehr beliebt: „Briten und Amerikaner treten oft sehr bestimmend auf, wir eher beratend. Der Unterschied wird bemerkt.“
Auf der anderen Seite ist die eigene Familie, „und wenn mir was passiert, hält da keiner die Hand drüber.“ Diese Ambivalenz beschäftigt ihn: „Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich wieder hingehe.“ Zurzeit denkt er darüber bei einem neuen Auftrag nach. In Ruanda.