Oldenburg Alexa, mach die Kaffeemaschine an. Siri, rufe Herrn Müller an. Google, navigiere mich in die Peterstraße in Oldenburg. Kennen Sie? Klar. Künstliche Intelligenz (KI) nimmt einen immer größeren Platz in unserem Alltag ein. Nur: Würden Sie sich auch von einem virtuellen Arzt untersuchen lassen? „Doktor KI, mein Bauch tut weh, behandle mich.“
Um die Antwort vorwegzunehmen: Nein, das wird so schnell nicht passieren. So sieht es jedenfalls Prof. Dr. med. Klemens Budde. Der Leitende Oberarzt der Berliner Charité referierte am Dienstag vor rund 150 Gästen beim diesjährigen Offis-Tag in Oldenburg. Die Veranstaltung vom Institut für Informatik drehte sich rund um das Thema Künstliche Intelligenz und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft.
„KI soll einen Arzt nicht ersetzen“, sagt Prof. Budde, „aber er kann dessen intelligenter Assistent werden.“ Er zeigte anhand eines Rauchers im Jahr 2024 auf, wie das aussehen könnte: Vorsorge: Anhand der elektronischen Gesundheitskarte empfiehlt die KI aufgrund der Vorgeschichte des Patienten eine Risiko-Diagnose. Diagnose: Die KI unterstützt den Lungenfacharzt mit einer Bilddiagnose, bei der beispielsweise Vorbefunde verglichen werden. OP: Die virtuelle Assistenz unterstützt bei der OP-Vorbereitung und warnt davor, sollte jemand zu nah an Geräte kommen. Beatmungssysteme könnten optimiert werden. Nachsorge: Die KI gibt Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung, Nachsorge und Prävention. Möglich wäre zudem eine Datenspende des Patienten. Wird das System mit diesen Daten gefüttert, könnten viele weitere Menschen profitieren – weltweit.
Prof. Klemens Budde beschäftigt sich als Mitglied der Regierungs-Plattform „Lernende Systeme“ ausführlich mit der Digitalisierung und insbesondere KI. Er weiß: Die intelligenten Systeme könnten Behandlungserfolge erhöhen, die Sicherheit von Patienten stärken. Er sieht jedoch auch Herausforderungen: Datenschutz, Transparenz und Vertrauen in KI.
Außerdem fragt der Oberarzt: „Wer haftet für Fehleinschätzungen? Wer bezahlt die Systeme? Wie können sie in den schnelllebigen Arbeitsalltag integriert werden?“ Dafür sei eine öffentliche Debatte nötig. Und die Schwelle zwischen Forschung und Routine müsse auf dem Weg zur personalisierten Medizin überwunden werden. Auch wenn die KI irgendwann anhand von Symptomen die Diagnose unterstützt und auf seltene Krankheiten („Magengeschwür oder doch das Zollinger-Ellison-Syndrom?“) hinweist: Wichtig sei, dass der Arzt die Entscheidungsbefugnis behält.
Fest steht: Die Technologie hat in den vergangenen Jahren extreme Fortschritte gemacht. Der „schillernde Begriff“ (Offis-Chef Prof. Dr. Wolfgang Nebel) ist schließlich keinesfalls neu: Er wurde erstmals 1955 in einem Forschungs-Antrag erwähnt. Algorithmen und Hardware wurden in den vergangenen Jahren extrem verbessert und eine neue Dimension erreicht.
Im März 2016 schlug das von Google entwickelte Computerprogramm „AlphaGo“ den 18-fachen Weltmeister Lee Sedol aus Südkorea im als äußerst kompliziert geltenden Brettspiel „Go“ in vier von fünf Spielen. Ein Blick nach China zeigt: auch vernetzte Städte sind längst keine Utopie (oder in dem Fall Dystopie) mehr. Seit Oktober 2016 wird die Millionen-Metropole Hangzhou durch Künstliche Intelligenz geleitet. Unfallzahlen und Kriminalität sind seitdem massiv zurückgegangen.
Von der totalen Überwachung durch Tausende Kameras profitiert aber auch das Regime, das seine Bürger gläsern werden lässt. „KI führt uns mehr als alle anderen Technologien vor Augen, wie viel wir Menschen noch an uns selbst arbeiten müssen“, sagt Dr. Eric Veith, der sich bei Offis mit „Deep Learning“ (deutsch: tiefgehendes Lernen) beschäftigt.
China investiert Milliarden. In Deutschland sieht das anders aus: „Viele vielversprechende Start-ups sind eingegangen, weil das Risiko-Investment gefehlt hat“, sagt Prof. Dr. Stephanie Birkner von der Universität Oldenburg.