OLDENBURG - Grundregel 1: Die Masse muss 130 Grad heiß sein. Grundregel 2: Die Zuckerkristalle müssen sich vollständig aufgelöst haben. Grundregel 3: Es bleiben maximal zehn Minuten Zeit, aus der klebrigen Masse leckere Bonbons zu machen.
So weit, so gut: Klingt leicht. Am Stand von Mandy (38) und Maik Wegener (39) auf dem Weihnachtsmarkt schlüpfe ich für ein paar Stunden in die Rolle eines Zuckerbäckers. Das Bonbon-Rezept: 50 Prozent Glucosesirup, 50 Prozent Zucker, dazu Wasser, alles zusammen in einem mit Gas befeuerten Kupferkessel aufkochen, fertig.
Das schaff ich: Es dampft und brodelt, das Thermometer zeigt erst 70 Grad an. Zeit, sich mit dem Chef des Unternehmens zu unterhalten. In sechster Generation zieht Maik Wegener mit seiner Familie von Markt zu Markt. Ein Leben im Wohnwagen ist das. Oldenburgs Weihnachtsmarkt bedeutet für die Wegeners so etwas wie Abschluss und Höhepunkt der Saison zugleich.
Die Idee, Bonbons selber herzustellen, kam ihm im vergangenen Jahr. Der Erfolg seiner Bonbon-Manufaktur gibt ihm Recht. Vor dem Verkaufstresen versammelt sich viel Publikum, das die Fabrikation aufmerksam verfolgt.
Das Thermometer zeigt: die 100-Grad-Marke ist überschritten, das Wasser ist verdampft, schnell steigt die Anzeige auf 130 Grad. Das dünnflüssige Zucker-/Glucosegemisch wird auf ein leicht geheiztes Blech gegossen, muss abkühlen und wird bei 80 Grad weiterverarbeitet – gerollt, geknetet, belüftet. Naturfarben wie Rote Bete und Aromastoffe werden hinzugegeben. 60 Sorten Kräuterbonbons gibt es, 15 verschiedene Zuckerstangen.
Hände brennen
Die Hände brennen, 80 Grad fühlen sich für den ungeübten Zuckerbäcker verdammt heiß an. Maik Wegener lächelt, greift ein, hängt die langsam zäher werdende Masse an einen Haken, zieht sie vor den Augen des staunenden Publikums in die Länge und formt dann dicke Würste. Fingerfertigkeit ist gefragt.
Stolz zeigt er auf seine Bonbon-Maschine. Rund 100 Jahre ist die alt, sein Ur-Ur-Großvater hat mit ihr schon Bonbons produziert. Doch mit der fortschreitenden Industriealisierung lohnte sich das Geschäft nicht mehr. „Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als es nichts mehr gab, holte mein Opa die Maschine wieder heraus und begann Bonbons per Hand herzustellen“, erzählt der Oldenburger.
Zeit zum Abkühlen
Wobei der Begriff Maschine leicht übertrieben ist. Die auf ihre Weiterverarbeitung wartenden dicken Zucker-Würste werden leicht platt gedrückt und – angetrieben von einer Handkurbel – durch zwei Walzen gepresst. Das in die Walzen eingelassene Muster (fünf Paare stehen zur Auswahl) formt die Bonbons, die hinten herauskommen und bis zum Verpacken noch abkühlen müssen. Ein bisschen erinnert das an den Tiefdruck, der Redakteur fühlt sich gleich heimischer in seiner Rolle.
Die Bonbons sind nun fast fertig, liegen noch aneinandergeklebt auf dem Blech. Bereit mit einer Schaufel auseinandergebrochen, in ein Sieb geschüttet und kräftig geschüttelt zu werden. „Damit die scharfen Kanten abgehen und sich über die Bonbons ein zarter Zuckerstaub legt“, weiß der Fachmann. Letzter Arbeitsschritt: Die Bonbons werden in 150-Gramm-Portionen in Tüten verpackt und in die Auslage gelegt.
Grundregel 4: Das Auge isst mit – sieht alles sehr appetitlich hier aus.