Vreschen-Bokel - Für Gerlinde Kruse und Peter Henn ist „Vreschen-Bokel am Aper Tief“ das Paradies auf Erden. Mit zwei anderen Personen setzen sich die beiden Augustfehner für die Zukunft des Naturschutzgebiets ein, das so reich ist an wirklich seltenen Vogelarten.
Uferschnepfen, Rotschenkel, Kiebitze, große Brachvögel – sie alle sind als „streng geschützt“ kategorisiert. Hinzu kommen Säbelschnäbler, Dorngrasmücken, Schafstelzen, Schwarz- und Blaukehlchen sowie Seeadler und Störche. Ein Storchenpaar hat sich erst vor drei Wochen im Aper Tief niedergelassen und wohnt nun in einer Nisthilfe hoch über der weitläufigen, 110 Hektar großen Fluss- und Grünlandschaft.
„Das Nest steht da schon seit Jahren“, erzählt Gerlinde Kruse, die beinahe täglich mit Kamera und Fernglas bis zu fünf Stunden in dem Gebiet verbringt, „aber noch nie hat sich dort ein Storch blicken lassen“. Entsprechend erstaunt war die 61-Jährige, als ihr eine Bekannte das Paar zeigte, das inzwischen seit zwei Wochen dort lebte. „Ich habe sie nicht gesehen“, sagt Kruse.
Kruse und Henn sind nicht die einzigen Vogelbegeisterten, die das Aper Tief für sich entdeckt haben. „Man trifft hier immer wieder Ornithologen und tauscht sich aus“, sagt die Augustfehnerin. Einer von ihnen, mit Hamburger Autokennzeichen, hat ihr gerade seine Sichtungen geschildert: „34 Säbelschnäbler hat er gezählt“, staunt Gerlinde Kruse, „die sind ganz neu hier dieses Jahr“. Doch nicht alles läuft an diesem entlegenen Fleckchen. „Wir würden hier gern mehr bewirken“, erklärt Peter Henn, „und vielleicht eine Interessengemeinschaft gründen, eventuell mit Geschäftsleuten als Sponsoren“.
Rennstrecke Mastenweg
Doch worin liegen die Probleme des Naturschutzgebiet begründet? Leidtragende sind insbesondere die Bodenbrüter, die auf dem Deich und den umliegenden Weiden nisten. „Die freut es sicherlich nicht, wenn sie Gülle über den Kopf bekommen“, vermutet Gerlinde Kruse. Die landwirtschaftliche Nutzung im Umfeld ist einer der Punkte, die es nach Meinung der beiden Vogelfreunde zu optimieren gilt. „Wir stehen mit Landwirten in Kontakt und versuchen, einen Konsens zu finden“, sagt sie. „Mit zweien von ihnen läuft das schon ganz toll, die bringen sich mit ein, bewirtschaften ihre Weiden extensiv, mähen erst im August und laufen ihre Ländereien ab um zu schauen, ober jemand brütet“, schildert Kruse. „Die freuen sich darüber.“
Mit der Unteren Naturschutzbehörde arbeiten die beiden Augustfehner bereits eng zusammen, und auch die Jägerschaft Vreschen-Bokel ist sehr offen für Absprachen. „Wenn wir irgendwo ein Nest finden, können wir Bescheid geben.“ Auch der Betreiber der angrenzenden Sandkuhle, die Ende des Jahres schließt, sei „total super und sehr kooperativ“, findet die 61-Jährige. „An den Steilwänden des Lochs finden sich sogar Eisvögel.“
Doch es gibt außer der Landwirtschaft noch eine andere Gefahr für die Vogelwelt in Vreschen-Bokel: „Der Mastenweg ist eine Rennstrecke“, weiß Kruse, „die rasen hier mit Quads, Motorrädern, getunten Mofas und dicken Autos entlang“. Eigentlich, denkt sie, müssten die doch etwas Grips haben, schließlich seien dort auch Fußgänger unterwegs und es sei nicht überall übersichtlich, doch dagegen müsse man etwas tun. „Vielleicht würde es helfen, die letzten 800 Meter der Straße bis zum Naturschutzgebiet zu sperren – wer da hin will, der kann doch auch die 800 Meter laufen.“
Alle an einen Tisch holen
Sowieso sei es wichtig, die Leute, die herkämen, aufzuklären. „Klar gibt es auch Jugendliche, die im Sommer mit Grills und lauter Musik anrücken“, sagt Kruse, „aber die Leute sollten lernen, hier mit offenen Augen spazieren zu gehen“. Die Leute müssten einen Blick für die Naturschätze bekommen.
Für Kruse ist es das Größte, hier ihre Freizeit zu verbringen: „Wenn ich die Gesänge, das ’quik, quik’ und ’flüt, flüt’ höre, geht mir die Seele auf.“ Peter Henn ergänzt: „Das Gebiet ist voll in unseren Herzen und wir sollten zusehen, dass wir alle Gruppen an einen Tisch bekommen, um den Bruterfolg der Vögel zu sichern.“ In einer idealen Welt gehörten die umliegenden Wiesen noch zum Naturschutzgebiet dazu – und böten sichere Brutmöglichkeiten. „Doch dafür müsste man zunächst einmal einfach reden“, sagt Henn.