Salzgitter Das alte Bauernhaus ist längst verlassen, im Garten steht das Gras hüfthoch. Einige Meter weiter pflegt Dorothee Schünemann liebevoll ihren Vorgarten. Auf der Straße sind weder Menschen noch Autos zu sehen. „Es wird alles immer weniger. Wo keine jungen Leute sind, ist auch kein richtiges Leben“, sagt die 65-Jährige. In Salzgitter-Watenstedt stehen viele Häuser leer. Doch trotz günstiger Preise finden sich keine Käufer – das Dorf hat keine Zukunft, es soll aufgegeben werden. Eine Entwicklungsgesellschaft soll nun die Abwicklung des kleinen Ortes regeln.
Das Schicksal des 450-Einwohner-Dorfes Watenstedt, das zu Salzgitter gehört, wurde spätestens vor 15 Jahren besiegelt. Damals wurde der Ort überplant – so heißt es im Amtsdeutsch, wenn ein Wohngebiet im Bebauungsplan zu einem Gewerbegebiet wird.
Der alte Dorfkern mit seinen Fachwerkhäusern und der 1000 Jahre alten Kirche wirkt geradezu idyllisch. Doch schon bei der Anfahrt wird das Dilemma sichtbar. Die Großunternehmen Salzgitter, MAN und Alstom umzingeln das Dorf. Ohne Anwohner könnten sich diese besser entfalten, müssten weniger Auflagen erfüllen. „Wohnen und Industrie, das passt einfach nicht zusammen“, sagt Gemeindebürgermeister Karl-Heinz Schünemann (SPD). „Mit dem derzeit gegebenen Spannungsfeld zwischen Anwohnern und Industrie ist niemandem gedient“, findet auch Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU). Nach der Aufgabe des Dorfes hofft er auf weitere Firmenansiedlungen.
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Wenn da nicht das liebe Geld wäre, würde es Watenstedt vermutlich schon nicht mehr geben. Ortsbürgermeister Schünemann und die meisten anderen der noch 30 bis 35 Hausbesitzer haben den Kampf für den Erhalt des Dorfes längst aufgegeben. Doch ohne entsprechende Entschädigung ist es für viele von ihnen schlicht nicht möglich, sich ein adäquates neues Zuhause leisten zu können. Auf dem freien Markt werden sie ihre Häuser nicht los.
Ein Aufkauf der Häuser, etwa durch die Entwicklungsgesellschaft oder die Stadt, würde nach Berechnungen von Salzgitters Oberbürgermeister Klingebiel 28 Millionen Euro kosten. Ohne Hilfe von EU, Bund und der Wirtschaft sei die Umsiedlung der Watenstedter Bewohner für die Stadt nicht zu stemmen, sagt Klingebiel. In Gesprächen mit dem Land sei aber bereits deutlich geworden, dass finanzielle Hilfen – wenn überhaupt – erst von 2014 an möglich wären.